Mittwoch, 5. September 2012

Ich und die Frau, die an grenzenlosem Wachstum leidet, nehmen parallel eine Schmerztablette ein. Sie aber eine Ibuprufen, weil sich Acetylsalizylsäure nicht mit ihren anderen Medikamenten verträgt. Sie hat Wirtschaft studiert und ist riesengroß. Sie könnte mich unter Umständen einfach so kaputtmachen, nicht mal prügeln müsste sie dafür, aber sie lächelt mich ein bisschen verlegen an. Worüber sie dann unsicher wird kann ich nicht einschätzen. Vielleicht rechnet sie auch nur wieviel größer sie wohl als ich ist. In Prozent oder so. Es wird viel sein, ich bin winzig. Würde sie diese Hemmer nicht einnehmen, das erzählt mir eine Kollegin, die den Rauch ihrer Zigarrette schief ausbläßt, und steil nach oben, würde sie  immer weiter wachsen und dann innerlich verglühen. So formuliert das die Kollegin. Wegen der hohen Temperaturen die das Wachstum im Fleisch schürt. Ich finde das unglaublich.

Julia sitzt neben mir und ich schaue von sehr nah in ihr Gesicht, das ich schon lange kenne fällt mir auf. Früher hatte sie oft Bauchweh wegen mir, das hat sie mir vor ein paar Monaten erst gestanden. Sie sei damals insgesamt sehr unsicher gewesen, und dann war ich noch so viel jünger als sie und immer so plötzlich und laut. Ich bin ganz drinnen eigentlich meist ruhig, ganz tief drin ist was gutes, das ich selbst nicht anfassen kann, so kann ichs auch nicht schlimm verwirren, was wiederum ganz gut ist. Sie bestellt mir einen Wein, dann noch einen. Manchmal schwillt das auf einmal und dann fiebert es mich, sowie heute. Glaubst du mir das? Und sie fragt ob das da vorne dieses Rad sei, und ich sage »Ja«, so wie sie eben. Und dann fahr ich viel zu schnell dafür, dass ich soviel getrunken habe. Ich habe vergessen oder nie gewusst, dass Julia tatsächlich eine Freundin ist.

Ich habe fast nicht überlegt und auch viel gewusst. Es ist warm und wir sitzen auf dem Treppenaufgang zwischen den Strassen. Aber die Gelegenheiten. Wir zeigen uns in Bildern wo wir überall waren. Guck mal hier, da hab ich noch an dich gedacht. Oder hier das, das fand ich auch merkwürdig. Ja und Ja. Diese Ahnung wickelt sich nun knieabwärts um meine Knochen, Stränge davon reichen bis auf die Stufen. Vom Wuchern erschöpft und zärtlich fast hin zum Gehsteig. Würden wir  uns jetzt nur ein wenig weiter nach vorne beugen, könnten wir echtes Mondlicht sehen. Ich erzähle dann unter anderem von der Frau mit dem grenzenlosen Wachstum. Er legt seinen Kopf auf meine Schulter und ich rieche an seinen Haaren. Ich sage: Ich war noch nie so müde. Und das stimmt, wie immer wenn ich das sage. Du hast mir sehr gefehlt, das weiß ich jetzt.