Samstag, 25. August 2012

In Arkadien

Marmorbunte Taschen. Kies unter Zungen. Geld vorm Geschlecht.
In den Kabinen singen: gewaltbereite Smileys.
In Arkadien – wo Handcreme fliesst, kein W-Lan.
Wühltische unter Häuten und glänzenden Stoffen.
In den Wassern spiegeln müde Rücken sich und Kinder.
Bildertrübe Schädel auf neue Marken taufen
in den flachen Becken. Sirup-Mandel-Topping.
Jede Letter meint uns, bis 22 Uhr.
Die Alten und die Kranken. Die immerbunten Länder.
Preisschildloses Grausen bis 22 Uhr noch.
Speiseeisverhangen. Himmel hinter Glas. Gewaltbereite Smileys.





Freitag, 24. August 2012

Zwischen dem Wohnzimmer und der Küche war der Helligkeitsunterschied schon sehr groß. Das Küchenfenster lag zum Süden hin, zum Garten. Nein, es liegt immer noch so. Das gibt es ja noch alles, das dauert ja noch. Jedenfalls, im Wohnzimmer ist es immer schummerig, weil die Fenster zum Norden und zur Strasse hin liegen. Die Hauswand im Osten wurde wohl als erste verschiefert, das muss lange her sein und war witterungsbedingt. Danach das ganze Haus in die Schiefern. Also: im Wohnzimmer war es immer dunkel und in der Küche dagegen war es eher sehr hell. Wenn also meine Oma und ich am Wohnzimmertisch saßen, immer jeder auf dem gleichen Platz, dann hörte ich links die Autos der Strasse, das Schlagen der Kirch-Uhr, und wenn das nicht war dann das Echo eines Geräusches das im Raum entstand. Zum Beispiel Geschirr auf Geschirr oder wenn einer mal lauter als gewöhnlich sprach, wenn meine Mutter lachte. Rechts fiel das Licht aus dem Garten in die Küche und dann ins Wohnzimmer. Geräusche die kleiner waren, und trockener und wärmer  – das Reiben von Stoff auf Stoff, wie zum Beispiel die Ärmel meiner Oma auf dem Tischtusch – die kamen immer von vorne. Ich saß ihr meist gegenüber, im Wohnzimmer immer. In der Küche hatten wir andere Plätze, die sich auch alle erklären lassen. Die Oma saß immer so, dass sie an alle Sachen drankam. Also richtete sich ihr Platz nach den Schränken. Unter den anderen wurden dann die übrigen Plätze verteilt. Ruhig und für fast immer. Immer gibt es nicht, damit meint man nur sehr lange.

Als der Platz meines Großvaters frei wurde, setzte sich zunächst mein großer Bruder dahin, bis er ausgezogen war nämlich. Sonst eine Tante, wenn zu Besuch. Die Küche ist komplett hellblau eingerichtet, auch in den Textilien ist immer irgendwas blaues. Wir Jüngeren saßen also auf der Eckbank, bis die Älteren seltener kamen und wir zu ungelenkig wurden um den Tisch auf der Bank herumzukriechen und die Knie – erst auf dem Platz angekommen –, gebeugt und unter uns selbst, mit den Beinen unter den Tisch zu drehen. Was sollte man das auch machen, wenn die Stühle der Alten langsam frei wurden? An diesen also saßen die – das kann man sagen, denn das tun sie nicht mehr und nie wieder – die uns lehrten die Finger auf genaue Art ineinander zu legen. Und auf genaue Art zu danken. Aber nur in der hellen Küche, vor und nach dem Essen. Im Wohnzimmer gab es Kaffee und Plätzchen. Im Wohnzimmer ist alles hellbraun oder beige, die Gardinen weiß. Für Kaffee und Kuchen musste man sich nie bedanken.

Die Eibe stand gleich vor dem Küchenfenster, und war einfach ein großer Strauchklumpen. Aussen dunkelgrün und nadelig dicht und sehr lange rund gehalten durch den Schnitt des Gärtners. Insgesamt wie die Form einer Ananas, ohne Strunk. Drinnen war sie trocken und braun und die Äste liefen wie in manchen runden Treppenhäusern, wie versetzte Stufen. Sie waren aber zu dünn um da hochzuklettern. Also blieb man unten stehen und guckte hoch. Als ich größer wurde interessierte mich das nicht mehr, was man da sehen konnte, ausserdem kam ich nicht mehr durch diese Stelle in die Eibe. Passte nicht mehr dadurch, meine Haare hätten sich einfach nur um die Äste gewickelt und alle Nadeln hätten gekratzt, rote Spuren hätte es gegeben, mit weißer Schürfung drumrum, es wäre schrecklich gewesen. Jetzt gibt es diese Eibe nicht mehr, dafür noch mehr Licht in der Küche. Wenn Fotos gemacht wurden, beispielsweise auf Konfirmationen oder Taufen, dann stellte man sich meist für das Motiv vor diese Eibe, und danach noch mal vor die Schieferwand. Väter halten ihre Töchter oft ganz seltsam im Arm auf solchen Bildern, wie blanke Schiffchen und als ob sie ihren Armen nicht trauen.