Montag, 19. März 2012

Mittags ist es so warm, dass ich meinen Trench über dem Arm trage. Im Stadtgarten die soziotopischen Frühlingsboten rückgrüssen. Dicke Kinder auf Inlinern. Durch die fettig gespielten Trainingshosen zeichnen sich ihre- ich sag jetzt mal Slips- ab, als sie sich seehunde-like wälzend, auf einem Beton-Plateau präsentieren. Doch keine Scham auf beiden Seiten. Der Junge hat einen Vokuhila, lang und dicht im Nacken, telefoniert sehr laut mit seiner Mutter. Rot erhitzte Wangen. Für unglaubliche zwei Minuten liegt er bäuchlings, mit angewinkelten Beinen, in einer Pose wie Dominique Swain in Lynn's Lolita Verfilmung, sie auf dem Rasen unter dem Wassersprenger, er mit den Inliner gehn Himmel. Da Simon auch telefoniert, kann ich ihm damit gerade nicht kommen. Später vergesse ich es. Auf dem Weg in die Innen-City trage ich den Mantel dann am Finger über der Schulter, wie Tennisväter um 1989 und bin todtraurig.

Wahnsinn, ich darf hier alles anfassen. Alles! Eine Tasse, die Kieselsteine auf dem Heizkörper, Papiere in Schubladen, Zettel in Büchern, ein Stück Kreide/Seife, ein Mädchen aus Glas. Einen kleinen Windhund, der unter einer Porzellanschicht schläft. Auch die Kommode auf der er das macht. Länger schon, aber Staub ist hier nicht Zeuge. Sehr sauber. Sehr wohnlich. Die Kinder im Fernseher singen schön. Sehr schön. Einem anderen Mädchen, sag ich einen Bildschirm hinein, sie solle sich nicht hüten, darum ginge es im Wesentlichen. Sie sagt sie wüsste das. Und dann überlegen wir ob ich französisch oder spanisch lernen sollte. Aber nicht sehr lange. Es gibt hier viele Bücher. Mehrere Bäder. Kernsanierte. Was man alles machen könnte, mit den ganzen Sachen und sich darin. Ich könnte ein Bad nehmen im Jacuzzi, mit Wasser aus vergoldeten Hähnen. Dabei Charles Bukowski lesen, rauchend. Oder Schopenhauer, weinend. Ich mache es aber nicht, aus Dekadenz. Ich sammel aber alles was schwarz ist im Raum, z.B. der Paravent, hinter den ich nicht schaue. Dann frag ich mich, ausgleichend wohlmöglich, was wäre falls alle weißen Dinge und Flächen auf der ganzen Welt, plötzlich Feuer fingen. Wegen einem Berechnungsfehler zum Beispiel. Es wäre ja doch nur ein Hometrainer hinter dem Ding. Ich nehme dann Canetti mit ins Bett. Aus Leichtsinn.

Mittwoch, 14. März 2012

Also sitze ich dann an diesem Küchentisch. Die Gläser klingen wie Plastik, hohl und trocken wegen dem vielem Eis darin. Absolut korrekt die Dauer mit der ich abwechselnd die Gesichter in der Runde anschaue. Ich habe das gut im Gefühl. Es gibt Salat vorab, dann Lamm. Mitte 20 sind der Gastgeber und das befreundete Paar. Eher schlecht verbergen sie ihr Unwohlsein. Ein wenig nur tut es mir leid. Ich halte mich angemessen, in den Grenzen die mir ihre Gesten ziehen. Meine Stimme ist ruhig, ich helfe mit dem Geschirr. Ab und an schaue ich auf die Küchenuhr, dabei wurde gar keine Zeit verabredet. Drei- viermal mische ich mich ins Gespräch, ohne weitere Absicht. Der Freund des Gastgebers lacht offen, wie man sagt. Seine Freundin stammt aus Paraguay. Ich nehme zweimal von dem Fleisch nach. Versuche mir vorzustellen, auf welche Art der Typ wohl mit ihr schläft. Eine seiner Hände jedenfalls, liegt die halbe Zeit auf ihren Knien. 

Golem heisst der Club, der zweite Treffpunkt nach dem Essen. Die Bar davor erwähn ich nicht, weil mir der Name nicht gefällt. Drei Euro Eintritt. Stempel auf das Handgelenk- in Großbuchstaben: KRISE. Auf okaye Weise lustig.
Erdgeschossig so mehr Bar und Salon mit großwandigem Bücherregal, im Keller mehr Disco, wenn man so will. Schmale Treppe abwärts, ein scharfer Knick darin. Es läuft irgendwas von Motown, wie in allen Städten, egal welcher Größe. Das Publikum ist hier unten weniger hip gekleidet als oben. Vielleicht College-Look, unspektakulär in der Summe. Man kann hier rauchen. Die Paraguayanerin knippst permanent an ihrem Portemonnaie rum. Ihr Freund trägt zum Weggehen eine Brille und einen voluminösen Werber-Schal. Sobald man ihn ansieht lächelt er. Der nicht abgegrenzte Dancefloor ist ziemlich voll. Der Gastgeber von eben winkt mir aus einer Ecke ohne Verve zu, bietet eine Zigarette an, die ich mir selber anzünde. Hinter ihm noch ein Raum, wie ich sehe. Völlig unangemessen unsicher trete ich durch einen Vorhang in einen Kinosaal- alte Klappsitze, Biedermeier Möbel. Drei- vier Jungen sehen sich einen Stumm-Film an, vornüber gebeugt, die Unterarme auf den Oberschenkeln, die wie zum Gespräch zueinander sich winkeln. Ich nehme auf dem roten Sofa Platz, mittig. Die Einblendungen sind englisch, nur beschreibend und auch keine Namen. Nach ein paar Minuten erkenne ich Vergil und Dante. Dann fragt mich jemand warum ich hier sitze.

Sieben kleine rote Gläser, das meine geb ich gleich weiter. An der Theke sehr viele Mittelstufler, Realschüler vermutlich. Nicht ab- mehr so einschätzend. Einige der Mädchen haben ihre sehr hohen Schuhe an der Hand. Um die Zapfhähne und die Regale, nein- irgendwie um alles, sind Lichtschnüre gewunden. In einer Ecke tanzt, mit an den Körper gezogenen Armen, eine obligatorische Transexuelle, Khol-Kajal und Jeans-Shorts, komischerweise ist sie die Einzige in dem Lokal. Der kleine, energische Typ, ja der mit dem Lamm, bemerkt dann und wann irgendetwas in meine Richtung, etwas das er natürlich in keinem Fall Ernst meint. Dass das seine Art sei, wird mir mehrfach versichert, im Gehen, ein paar Schritte auf dem Bordstein, ein paar auf der Strasse. Ohne weitere Folgen stosse ich ihn deshalb später hart an den Schultern nach hinten, schlage eine Zigarette aus seiner Hand. Ich meine das war vor dem Bankschalter, etwas abseits der Wartenden in der Schlange. 

Mittwoch, 7. März 2012

es ist alles so einfach

Man kann sie kaufen, stehlen, schenken, schneiden, flechten. Man muss sich nicht über sie freuen. Man kann mit ihnen sprechen, während man sie gießt. Sie etwas fragen, während man vorbeigeht. Sich wundern, mit Händen in den Manteltaschen, wieso denn Schneeglöckchen, die immer in Gruppen sich drängeln, die hellen Köpfchen hängen lassen. Debutanten-Sorgen zum einen. Dann auch noch als Allererste raus. Das wird es sein.

Der Frühling vor der einen, großen Türe. Veronika vor einem Audi A3. Fünf-Türer auch, immerhin. Sie trägt Nuttenstiefel, hat ziemlich rote Haare. Auf dem Nördlichen Zubringer entschuldigt sie sich für eventuellen Fusel-Atem. Auf Joerns dringlich erwartete Bitte um Erläuterung, berichtet sie von der Inter-Wein, auf der sie Hostess war. Ein Trend wohl: parfümierte Cocktails, sie schmeckten ganz genau so wie das jeweilige Äquivalent. Zum Beispiel Poison von Lancome. Sie freue sich so auf ihr Bett. Wegen der Füße. Garantiert denken jetzt alle an ihre Stiefel. Wir machen Zwischenhalt in Bielefeld. Joern spricht einem Freund aufs Band- Geburtstaggrüße. Während ich mich, aber nicht nur, auf das Neon freue.

Das Licht in der Küche brennt hier immer. Ich bestaune die Tetraeder im Frühstückssalz, im Hintergrund wiederholt Dirk von Lowtzow sehr oft eine Zeile. Dann hören wir den Rufus Wrainwright-Remix aus dem letzten Sommer. Vielleicht kauf ich mir später Zahnpasta, die glitzert und nach Cola schmeckt. Ich hab ein bisschen Angst vor dem Frühling.

Montag, 5. März 2012

Erschwerend kam der Rauch hinzu. In allen seinen Forderungen, tauchte bald mein Kopf. Nun war aber das ganze Haus ja schon aus Nebel, in diesem ich, auf der Suche nach dem Brand. Ich schlief wohl ein, wie meist in solchen Szenen.

Mein Patensohn wird vier und immer weniger wunderlich. Noch letztes Jahr durfte ihn kaum etwas am Kopf berühren, was ich zwar nicht verstand, und doch sehr mochte. Jetzt geht das. Er jagt mit grünem Papierhütchen auf demselben um den Tisch.

Es ist weder Zufall noch keiner, dass ich vor Tagen draussen weiße Flocken vor dunklem Himmel sah, aus dem Küchenfenster schauend. Und jetzt am selben stehend, den Blick erst auf den Herd und dann in die Milch senke, in der Mohn schwimmt.

Im Klavierzimmer, jenseits der Konfetti-Pfützen, von den Alten vergessen, von den Kindern ignoriert, hauchte das Böse sein Leben auf einem Verkehrsteppich aus. Ich hielt Andacht, schlug Kaffee, später Marmorkuchen ab.

Ich bringe einen Freund von mir zur Türe. Die Luft wiegt nichts, das Licht im Flur geht an. Dann schliess ich diese, wissentlich: das Jene geht vorbei, hinab, voran.