Mittwoch, 28. Dezember 2011

zwischen den jahren

Der Texte sind französisch und seduktiv. Keine Playlist, sondern in eine von unterschiedlichen Personen, in Abwechslung zusammengestellte Mischung verschiedener CD's. Es wird Hardware mit Hardware bestückt. Glaube Serge Gainsbourg, später auch Grace Jones. Wir sind betrunken. Allerdings vollziehe ich eine Blitzausnüchterung, überwiegend mit dem Kopf auf der Tischplatte. Wir essen Nudeln, together am Tisch. Gerade ist mir alles auf eine angenehme Art und Weise fremd. Ein Basis-Symptom, das sich der Rausch mit meiner Pesönlichkeits-Störung teilen muss. Gerade plant man gemeinschaftlich Dinge, in denen es wiederum auch um Gemeinschaft geht. Sitze schwindelig und schweigend am Tisch. Die anderen schenken sich gegenseitig nach. "Starker Titel" sagt Andreas (sehr, sehr witziger Andreas). Boris und seine Freundin sind ausgelassen, gehen mit der Musik, bis fast in die 70er zurück. Sie macht mir eindeutige Angebote, er plant sowas ähnliches wie eine Kommune. Fühle mich wohl an dem Holztisch, warmes Licht und Nudelteller. Ich glaub das hier ist post-ironisch, oder prä? Keine Ahnung. Verlange sofort laut nach einem anderen Rätsel, welches ich sogar bekomme (Boris legt es mir auf die Hand: ein kleiner türkiser Ring) und wider Erwartung sofort löse. Zufall natürlich. Marek ist deswegen trotzdem kurz sauer. Scrolle selbstvergessen in meinem Mobile Device. Vergesse dabei sogar das ich einen Blog habe, bis mich Boris relativ schnippisch fragt, ob ich gerade diesen besuchen würde, um zu schauen wer ihn alles nicht lesen würde. Nun tanzt Julia selbstverloren zu Chansons, fällt manchmal um dabei und sitzt rauchend am Boden. Boris wickelt ihr dabei einen Schal um den Kopf. Drehe Kerzenwachs mit den Fingern, flämme einen Korken an um Marek damit die Stirn zu schwärzen. Minuten später sind Andreas und ich als einzige nicht bemalt und damit irrer-weise die Gezeichneten.


Meine Brüder kommen zu mir. Der Älteste möchte ein Hochzeitsvideo für seine Frau schneiden. Bei ihm zuhause geht das nicht, sonst kriegt sie es mit. Jeder sitzt nun hinter einem Apple. Auf dem Couchtisch drei I-Phones. Wir lachen uns dafür schallend aus. Weil wir natürlich diesen Konzern verachten, wie er auch uns verachtet. Für seine Frau habe ich als Einzige nichts besorgt, ich kann mich nicht in sie reinversetzen, wüsste nicht was ihr gefiele. "Macht nix. Kann ich auch nicht. Deshalb kriegt sie dieses Video." Der jüngere und ich feixen heimlich über das Bildmaterial der Trauung, der Flitterwochen. Damit ich dazu nicht die ganze Zeit hinter seinem I-Mac stehen muss, verbinden wir unsere Bildschirme via Skype. Jetzt kann ich auf dem Sofa weiterbloggen, während er eine Slide-Show von Schnappschüssen animiert, eine 3D-Animation mit Trauringen bastelt. Ein Foto zeigt die Braut (jünger als ich), eine getönte Sonnenbrille tragend, in der man einen Strand plus Sonnenuntergang sieht. Das Bild ist schwarz-weiß, bis auf die bunte, tropische Spiegelung, color-gegraded von ihrem Mann. Der bekommt, durch den Kopfhörer, unser Gelächter mit, entschuldigt sich fürs Rohmaterial: " Sorry, das sind halt echte Emotionen." Überlegt auch gleich ob es einen Starbucks- Bringdienst gibt. Mein Kaffe ist auch wirklich schlecht. Wir hassen natürlich Starbucks. Alle hassen das. Wir spielen aber doch gerade Agentur und spielen auch sonst. Damit ich insgesamt weiß was geht, zeigt mir der Jüngere jetzt kurz das Intro des Films Irreversibel. Kann nicht sein denken, und dann modern verarbeiten, d.h. 15 mal cmd-Z drücken. "Die Polaroid-Ani da, da fallen ja alle Bilder gleich rein, sieht komisch aus" " Ey- das sind 1000 Bilder, ich hab keinen Bock die alle einzeln zu animieren." " Ja, kannste ja machen wie du willst, gibt gleich auch Pizza. Nee, sieht super aus. Je öfter ich es sehe...kommt da noch ne Unschärfe drauf?- nee, sieht gut aus."


Klaus fragt Torsten nach seiner Meinung bezüglich des neuen Parkettbodens, dunkel und hochglänzend. Marlen sitzt ruhig am Tisch, hebt das Tuch zupfend an, während sie über die Schulter ins Wohnzimmer guckt. Jetzt steht sie halb auf um Torstens Frau zu begrüssen. Ich sage die ganze Zeit überwiegend "Hammer.", zeige dabei auf Weihnachts- Items wie das nervös-fröhliche Gesicht meiner Mutter oder den mit Lametta kaschierten Christbaumständer. Lukas sieht total schick aus, pikst in Päckchen. Eben waren wir in der Kirche, haben min. zehn Minuten nach dem idealen Platz gesucht. Also mittig und weit vorne. Wir wollten den maximalem Still-sein-Druck erzeugen, um dann lustvoll gegen jedes Lachen kämpfen zu müssen. Jetzt aber gibt es Essen auf asymmetrischem Geschirr, schwarz-weiß gemustert. "He, hört ihr dieses Fiepen?" Tatsächlich, Klaus hat eine Audio-Kassette eingelegt. Direkt zu Anfang läuft Rondo Veniziano "Hammer." Vorspeise ist irgendetwas in Aspik. Torsten sitzt für zwei Minuten halbnackt am Tisch. Unter dem eingebildeten Druck der anderen Geschwister, hat er sein Vivienne Westwood T-Shirt ausgezogen. Als Mutter wiederkommt ist aber alles wieder gerichtet. Klaus holt den Korn aus dem chinesischen Hochzeitsschrank. Meine Mutter bestimmt schneller als die Kazam-App, das Lied im Background als den Song White Eagle der Band White Eagle : "Indikativ von Allein gegen die Mafia."  Mama sagt wirklich Indikativ, ich weiß als einzige nicht was das heißt. Dann läuft, etwas leiernd, das Dudelsack-Intro von Joan of Arc, das One-Hit Wonder von Orchestred Maneuvres in the dark. Torsten meint er wäre zu dem Song als Jugendlicher nachdenklich durch Ronsdorf gelaufen. Hätte zwischen Postamt und Hallenschwimmbad über den Sinn seiner Existenz nachgedacht. Auf dem Tisch liegen heute vier iPhones. Auf zweien ist Torstens Gesicht als Bildschirm-Hintergrund. Galina weißt mich darauf hin, dass nicht immer alles eindeutig gut oder schlecht sei, während Torsten und Lukas diskutieren, welche Speicherform für ein digitales Geschenk romantischer ist: Ein verzierter Memory-Stick oder ein beklebter CD-Rohling. Dann schauen wir also den Hochzeitsfilm an, im Halbkreis um Marlens Laptop. Galina muss weinen. "Hammer."


Wir sitzen zu viert am Tisch, die Birne habe ich mit spitzen Fingern rausgedreht. Angenehmes Dunkel. Anna trinkt Limo wegen Auto. Meike Gin-Tonic. Ojay Wodka. Ich auch: Wodka. Bis hier haben wir es geschafft. Habe noch Schulden bei meinem Bruder, wegen der Präsente. Jetzt aber noch das Weihnachtsgeld in der Tasche. In der Kneipe heute natürlich einige Rückkehrer. Unter anderem der traurige Robert. Mein spontan Geschenk für Ojay, der ihn noch nicht kennt. Lenke seinen Blick also auf den schönen, dunkelgelockten Jungen der sich schweigend, trinkend und rauchend unter die Leute mischt. Dabei immer Kopfhörer trägt, echt teure glaub ich, die mit Gegenschall die Umgebungsgeräusche ausmerzen. "Die Lonelyness von ihm ist echt hart. Steht ihm ausgezeichnet. Danke." Wir tauschen ein paar müde Anekdoten, und versichern uns mehrfach unsere Zuneigung. Stellen fest, das auch wir tatsächlich irgendwie altern. Zum Glück noch ziemlich unkonkret. Bis hier hin haben wir es schon wieder geschafft. Das Tal schon wieder. Das Tal. Die uns antreibende Desperation wird uns später, Meike und Anna geben vorschnell auf, im  U-Club, mit dem blasphemischsten Krippenspiel aller Zeiten belohnen. Ich kann es nicht beschreiben. Es wird hart sein. Ojay macht ein Foto. Dann spielt Mambo-Kurt eine Heimorgelversion von Self-Esteem, während ein bisexueller, halbnackter, muskulöser Weihnachtsmann von der Bühne aus jedem Gemeindemitglied, welches Single ist, einen harten Zungenkuss verspricht.

Samstag, 17. Dezember 2011

aufnahmetechniken

Folgendes war klar: Die hemmungslose Zelebrierung sämtlicher Neurosen zur Weihnachtszeit, im familiären Rahmen, durfte mangels Originalität (des Sujets an sich schon), kaum unter den üblichen Gesichtspunkten beobachtet werden. Dann wahre ich auch noch die Form (entweder aus Unaufgeregtheit, wahrscheinlich aber wegen des Überangebots sämtlicher mir zur Verfügung stehender Rezeptionspersönlichkeiten) redundanter-weise in einer Welt (sic.) die sich ja nur noch aus Schablonen zusammensetzt. Daran sind die Medien schuld, wirklich. Ein Beweis hierfür liefert der (immer noch wahre) vorangegangene Satz (nein, eigentlich alle, allein innerhalb dieses Eintrags). Meine Welt darf also nicht in Clips zerfallen. Diese Wahrnehmung: far too gängig. Niemals sollte ich sie also beschreiben, dann noch im Netz publizieren. Aber: klischeefreies Leben ist unmöglich (Falk). Speisen in der Keimzelle allen Irrsinns. Die besten Sequenzen zeichne ich nicht auf. Kann das Smartphone nicht richtig bedienen (der Bruder hilft später). Wenigstens bewahrte mich mein prekärer Lebenstil, bis nun, vor der totalen Erfüllung meiner Rolle. Jetzt ist die Kontur also qua Technik geschlossen. Darf ich also erwähnen (unser aller Schicksal tapfer tragend): es gab Fondue. Themenmahl Destruktion: Die Patchworkfamilie frittiert häppchenweise in einzelne Schalen, säuberlich getrennte (Paprika nach Farben, z.B.), klein zerschnippelte Lebensmittel- sauber aufgepikst. Die Frau meines Vaters betrinkt sich beiläufig, lamentiert sich natürlich in Rage. Ich werde meinem Vater (er heute, mehr als ever, mimisch minimalistisch präzise) das erste Mal im Leben sagen (natürlich lachend), dass ich ihn liebe. Nachdem oder vor, keiner weiss es mehr, auch das I-phone nicht, sie uns ihren relativ unsittlichen Wunsch-Tod beschreibt. Von ihren Ausführungen ablenkend, zeigt Vater schnell Fotos auf seinem Smartphone: Strand im Winter, ein Boot auf Grund. Die Serenity (engl.: "heitere Gelassenheit") liegt trocken. Das IJssel-Meer führt kaum mehr Wasser.

Samstag, 10. Dezember 2011

erben

Der Hybrid steht sofort auf eigenen Beinen. Überhaupt nicht wackelig. Ein einnehmendes Wesen, dieses Kind, Kreuzung von Ereignissen. Anke bestellt Sekt auf Eis. Der Wirt heißt ohne Witz Hurrican. Ich mag nicht mehr hinabsteigen, in mein Basement, während wir subterra rauchen. Ab 1. Januar, sagt sie, dürfe man auch das, auch hier nicht mehr tun. Auf dem Display Bilder aus Thailand. Blau reflektiert sein Licht auf ihrer Restbräune. Wie wir in ihrem Pool schwammen, auch im Keller, fällt mir ein. Mit Gegenstromanlage. Ankes Mutter unter einem Klimt-Druck hockte, Wachsbuchstaben mit Docht, Jahre ist das her, zu dem Wort Noel formte. Ja, klage ich, ich werd die beiden nicht mehr sehen können. Diese schönen Brüder, die versiegelten Söhne. Im Januar hatte ich erstmals betrauert, verschneite Gleisen, neonblaues Blitzen auf den notorisch antauenden Stromleitungen, was mir im Juni obsolet schien. Simon und ich mit Nik in der kleinen Reise. Die feuchte Hitze ekelte mich erst an der Pissrinne. Davor noch wie Nik auf diese Irin einredete,  er möge umsonst Einlass finden. Irin mit Kaugummi, neben der Kasse, über einem Schundroman. Später auf dem Sofa, eine andere Irin nahm ein Photo, ein Beweisstück das mir gerade ganz schlimm fehlt, zu dritt. Ist es dieses Mal? Sitzt es auf der Stirn? Werde ich deshalb so gerne dort berührt? Kann ich noch eine von deinen rauchen? Der Hybrid gibt mir Feuer, während Anke neu ordert. Wieder oben, das Essen schon fertig. Man reicht mir Besteck und- "Mein Vater, hat dich immer gemocht."

Mittwoch, 7. Dezember 2011

erzeugen, fighten, aufzählen.

Davor tatsächlich auf Schalke. Im Stadion. Sieht kleiner aus als im Fernsehen. Liegt auf dem Rücken, ich sitze.

Das Drama der menschlichen Existenz verdinglicht sich heute, in dieser Zahnarzt Praxis, in einer speckig verkrusteten Mehrfachsteckdose. Dreck und Strom. Tier und Maschine. Standard und Unterbietung. Also insgesamt Annahme und Realität. Die Fussgängerzone durch blaue Lamellen. Grobe Arme hat der Arzt, der vierschrötige. Die Assistenz ist auf jeden Fall Slawin. Hat einen Glitzer-Stein auf dem spitzen Schneidezahn. Hier wird kaum gelogen. Brettharte Ehrlichkeit. So derartig unschick. Bekomme doch nichts extrahiert. Bekomme 10 Euro zurück.

Wir brauchen ein Fanal. Auch wenn Feuer kitschig ist. Das macht nichts, es ist ja auch irre heiß und macht was kaputt. Ausserdem macht es all das von alleine.

Mein Bruder entschuldigt sich für seine vehemente Art am Samstag Abend. Sehr betrunken war er. Warf der Thekenkraft seine Börse zu, sie auffordernd, sie möge sich ihr Geld doch selbst raussuchen. Er verdient jetzt viel Geld mit dummen Sachen, die er aber gut aussehen lässt. Ein Blut, eine Profession: dünnes Wasser. Dann noch Heiligabend vorempfinden, wir diskutieren jetzt schon, telefonisch, was passiert sein wird. Er wartet auf den Zug. "Sterne, warte mal. Wofür standen die noch: Schicksal, Zukunft, Luxus..." "Ja, auch für Klasse. Und dann legt jemand einen schlechten Blur darauf." Dann weiß ich aber, das er meinen Kopf in die Hände nahm und mir neben allerhand Gemeinem und Wirrem und Falschem, auch noch etwas anderes sagte. Zerfetzendes. "Tut mir leid." sagt er. Ich: "Love und das."

Bei dem Wort heute musste ich unverhältnismäßig lachen.

Sebastian hatte Geburtstag. Nachfeier. Kenne die meisten nicht. Halte mich an Martin. Habe einen teuren Mantel und fasst nichts zu sagen. Matthias ist dünn, wir essen Knäckebrot. Sebastian weiß anscheinend, dass ich Knäckebrot esse. Ein Mädchen sagt sie habe viel von mir gehört. Freue mich auf neuen Unsinn, kenne leider diesen schon. Mein eigener. Kaum gefiltert durch die Worte der anderen. Johannes sagt später er vermisse mich. Seltsamer Johannes. 

Kathrin hat eine Bindehaut-Entzündung, weil es in der Kapelle so kalt war. Tränen und Zugluft. Oh no. Dann regnet es noch durch unser Dach und es sterben noch mehr Leute. Kathrin puzzelt eine neue Schutzhülle für ihr I-Phone auf meinem Sofa zurecht. Ich sollte mich mal für jemanden prügeln.

Das Messer war noch da wo ich es versteckt hatte. Es ist krasser als im Fernsehen. Es ist überhaupt krass.







Samstag, 3. Dezember 2011

In einer der untersten Etagen Licht. Dreht sich bescheiden im Treppenhaus hoch. Als ob es ihm ebenso schwer fiele. Den Treppen will es schmeicheln, so es sich abnehmend stuft. Es könnte gleich überall sein. Was es auch tatsächlich ist. Zerstreut sich durch Glas, vibriert von der Decke, sucht Schutz unter Lidern, verbirgt sich in Farben. Spuren davon auch im Blut, sich speisend in der Brust, pulsfressend. Geschieht mir und wird widerfahren. Die Erschöpfung schlägt Funken, meinem Blick für Sekunden nachhängend. Blinzelnd, nicht schliessend. Es hat lang nicht geregnet. Tausend Wunden, ein Dorn.

Montag, 28. November 2011

weakend

Aus einem grifflosem Schrank. Statt dem Gespräch zu folgen, rätsel ich über den Schließmechanismus. Sah aus, als hätte er ihn mit einem Wischen geöffnet. Sah doch so aus, oder? Das Oder aus Versehen laut. Allez im Profil. Allez konzentriert sich, die Arme verschränkt. Der Mann trägt ein weißes Hemd und graue Hosen. Kein Namensschild, korrekte Miene. Wirklich sehr angemessen. Ich kann ihn gar nicht ansehen, möchte nichts gefragt werden. Auf meinem Handgelenk noch ein Stempel von vorletzter Nacht. Wann dürfen wir gehen/ Wieso ist das so schlimm. "Kaum einer kann etwas dafür. Glauben Sie mir. Sie haben die Broschüren gelesen?" Fischgrät-Parkett, schätze Nussbaum. Allezs' weiche Stimme, vorab ein Räuspern: "Ja." Jetzt schliesst er den Schrank und ich bekomme wieder nicht mit, wie genau er das macht. Diesmal angeblich, weil es mich traurig stimmt, dass Allezs' Stimme so weich ist. "Ganz gut gemacht, nicht? Übersichtlich, verständlich beschrieben. Neue Auflage." "Wie machen...also, sollen wir das machen?" fragt Allez, die Hände in die Achselhöhlen schiebend. Also gibt Herr Siszek mir die unerhört leichte Waffe in die Hand, was mich trotzdem wundert, weil ich die ganze Zeit nichts dazu gesagt habe. "Sie müssen ihn spielerisch darauf vorbereiten." Darauf nicke ich, halbautomatisch.

Freitag (+ Samstag "Die Braut verreckt 2")
Die Strassen haben die Namen von Bäumen. Wir ordern die Taxe also später in die Pinienstrasse, gehen ihr auf der Fichtenstrasse entgegen. Hier gibt es Aluminium-Fassaden und Jalusien und jede Menge Wendehämmer. Die Stunden zuvor habe ich auf dem Dancefloor gelitten, der aussah wie ein Küchenboden in einem Musterhaus, von dem es hier sicher auch einige direkt nebenan gibt. Der Laser, rot und grün, schnurgerade zwar, doch änderlich im Winkel, eilt schneidet den Raum, diesen in Streifen schneidend. Um dann doch auf meiner Brust zu enden, diese mit Punkten zeichnend. Langsam hochwandert, fächernd. Alina, Ilona, Natasha, Katjuschka, Aneta, Natalya. Trage ein Netzhemd mit goldenen Reichsadlern. Traue der Garderobiere nicht.

Donnerstag, 24. November 2011

Früh und noch dunkel. Mit einer Hand den klammen Fels abtasten. Kühl und still wie alles das Zeit hat. Die andere umfasst die Zahnbürste. Von den Knöcheln bis zum Puls voll mit Speichel, Zahncreme und Trübnis. Kopf im Nacken. Lautlos Stufen zählen, dem Schall widerstehend. In einen Ärmel läuft es kalt. "Boah- nee" (leise, ausspuckend). Beklemmung wäscht sich so schwer aus.




Montag, 21. November 2011

polyuniversal

Dreht man den Kopf zur Seite, wissend was man dann sieht, darf man sich nicht erschrocken geben, wenn es nur zur Folge hat, dass man eben den Kopf gedreht hat und alles so ist wie angenommen. Dreht man die Finger ineinander, nicht zu doll, die Hände im Schoß liegend. Ach was. Dreht sich den Rücken zu, im Fensterglas, sieht nur kurz sein Gesicht über der Schulter schweben und fragt sich aus Höflichkeit, wovon es handelt. Bevor es draussen hell wird, oder drinnen dunkel. Das Bild wieder Fenster wird, das Fenster wieder Glas.

Als ich mir selber noch Haken schlug, und nicht diesem Wachhund. Der bellt sogar und wir lachen sogar, ausser kaltem Atem. Tickets in der Hand auf einem Teppich voller Nieten. Ich weiß nicht. Vielleicht 40 Meter hoch, aber wir sehen nichts, weil es so nebelig ist. So richtig geiler Nebel. Die bunten Auren der anderen Fahrgeschäfte. Im Schnitt ihrer Radien kein Glück, das wir nicht zahlen könnten. Die kalten Bügel in den Händen, schweigen wir andächtig bevor wir nach unten fallen. Halten feierlich die Fresse, als es uns wieder nach oben reisst.

Freitag, 18. November 2011

apheliotes

Kongresshotel Potsdam. Es gibt drei Flügel, jeweils einem Luftschiff gewidmet. Hindenburg aber nicht. Crashglasoptik an den Verblendflächen des Buffets. Extra kaputt weil schöner. Der Kriminologe schenkt mir ein Exemplar seines Bestsellers. Er hat braune Schuhe, einen dunkelblauen Anzug ist seit 30 Jahren verheiratet und macht K.o. Komplimente. Setze schon seit Stunden auf Zen-artigen Gleichmut. Kommt nicht gut an. Beide im Gespräch während ich vorallem atme und die Zunge in den Gaumen oder die Wange drücke. Beide sind sich einig in allen Punkten. Unaufgeregte Einwände von mir. Keine Zustimmung: Nein, so nicht. Keine Gewalt. Kein Gaunerei. Kein garnichts. K.o. sagt, in das Nicken des Professors rein, sie wünsche sich einfach das es so sei. Zähle alle Zeppeline im Sichtfeld und sage, ich fände es nostalgisch, den Glauben an bestimmte Dinge zu verweigern, anstatt damit einfach aufzuhören. K.o. zwang mich am Vorabend Kein-Ohr-Hasen zu gucken. Schlimm, schlimmer, Schweiger. Beste Momente unserer gemeinsamen Zeit: wache Nachts bestimmt dreimal orientierungslos auf. Draussen lungert der Winter rum und wer nicht frieren mag, wird besser kalt.

Wieder alles gut weil schnalzend auf der Strasse. Wehender Mantel und rollender Koffer in Potsdam abends. In den Fussgängerzonen grassieren bundesweit die Weihnachtmärkte. Blicke en passant. Ich glaub ich sehe fabelhaft aus, was daran liegen wird, dass ich rastlos bin und allein. Mehrere Kleist Gedenk-Tafeln. Gewalt ist voll ok. Wir sind hochkriminell, meine Komplizen und ich, die ich sie gerade nur kaum vermissen darf, weiß ich sie im Hinterhalt meines Herzens.

Mittwoch, 9. November 2011

aggressions-training

"One evil deed a day, keeps the psychiatrist away." Der Redner ist Kriminologe und Soziologe und Hanseat. Die Kundenberater notieren in die ausgelegten Blöckchen. Die Kugelschreiber wurden darauf diagonal, nach rechts aufsteigend platziert. Münster/Mövenpick. Im Tagungsraum gegenüber ein Treffen des TOP-Magazins und des TOP-of-the-TOP's. In der Pause beinahe Kollision der Teilnehmer. Eben genannte in der deutlichen Minderheit. Aber mehr Frauen als die Banker. Aber auch mehr Golden-Retriever als die Banker. Ältliche Frauen vor allem, Platin bis Beige. Lack und Wildleder in Kombination (!), teilweise zu 1A VHS-Stiefeln geformt. Mode eben, die meist in Boutiquen erworben wird. Sylter-Strand-Trends deren Ursprünge sich bis nach Krefeld zurückverfolgen liessen. Würde man das wollen. Eine Mitarbeiterin des Hotels kennt mich, ganz sicher, sie sagt sogar "Doch". Der Überraschungsgast ist auch Viktimologe. Bemerke erhebliche Differenzen in den Waschsteinformaten und Materialien auf den Toiletten im Tagungs- bzw. Restaurantbereich. Versuche möglichst lasziv eine Carrera-Bahn abzubauen. Ich muss dringend etwas böses tun und entscheide mich (völlig falsch, multidimensional- nebenbei) für einen Hitler-Gruß vor der Lions-Plakette im Foyer. Meine Handschuhgröße ist übrigens 6.5.

Dienstag, 1. November 2011

"Was nimmt sich der November eigentlich raus, so irre schön anzufangen?"
Allez ist völlig fertig. Er raucht bestimmt zwei-drei Zigaretten mehr als üblich. Fährt sich nicht ein einziges mal dabei durchs Haar. "Trotzdem." Mehr fällt ihm für Minuten nicht ein. Er trinkt Wasser, ich auch. Voll gut- Wasser. "Was soll ich mit dem Zimmer machen?" Keine Ahnung, es gehört nicht dir. Du kommst ja nichtmal rein. "Es ist aber mein Haus."Jetzt steigt er rauf, aufs Dach, mit heimlich zitternden Knien und schaut runter in die Stadt. Mit den Armen und dem Brustkorb lehnt er feste auf der Brüstung. Das rechte Bein übernimmt den Rest, das linke dreht sich frei auf der Spitze seines Fußes. Wie lieb er mir ist. "Ich hatte keine Ahnung von dem Raum. Der musste neu sein oder sowas." Das ist unmöglich. Es ist nicht einfach so ein neuer Raum da."Du standest doch drin! Und dann das ganze Zeug- sowas hab ich noch nicht gesehn. Die ganzen Bilder. So komisch groß. Die Wände erst! Und jetzt, keine Klinke mehr." Ja, aber das Haus ist doch ziemlich groß."Trotzdem." Ich lege meine Hand zwischen seine Schultern und sein Zorn flattert in meiner Brust. Und weil er tatsächlich weint, lenke ihn für ungefähr zehn Minuten mit der Geschichte eines Mädchens ab, das Angst vor Motten hat, und deshalb Nachts das Licht anlässt.

Montag, 31. Oktober 2011

...nothing gold can stay

Extrem Decay. Bruckhausen. Der normale, gemeine, völlig unschmucke Zerfall. Da hat man nicht mal Bock missmutig nach einem Mörtelklumpen zu treten, oder irgendwas in der Art halt. Es ist normal zermürbend. Arthouse-Film zermürbend. Endzeit ohne Aufregung. Vermutlich deshalb hier, die Besprechung der nun endenden Theater-Reihe. Im Pfarramt gibt es gelbes Licht, Delphin-Bilder, einen Glücksbrunnen und Frikadellen und achteckige Tische. Wachstuch mit Herbstblättern drauf. Überall kullern Kastanien. Stadtteilküchen-Gemütlichkeit: eine Keramikente trägt ein Schild im Schnabel Willkommen. Im Flur ein DIN A4 Blatt, hochkant: Das BÖSE lauert ÜBERALL. Tee und Kaffe 50 Cent, übrigens.

Kathrin zieht nach oben. Ihre Sachen sind aus dem Bad. Das kleine weiße Pferd taucht trotzdem nicht auf. Sie hat es vermutlich verschwinden lassen. Dasselbe hatte sie mit dem Nancy Drew Band: Du sollst sterben Nancy Drew! vor. Diesen konnte ich retten, was ich meinerseits heimlich tat. Keine Ahnung wieso. Ich spiele solche Karten zu oft nicht aus, steck sie einfach wieder unter den Stapel. Jetzt steht sie im Türrahmen, ich rauche exaltiert ihre Zigaretten auf dem Sofa, das nun mir gehört. Kathrin jetzt auf dem Tisch mit schaukelnden Beinen, tröstet mit Hollywood- Weisheiten: "Stay golden, Ponyboy." Of course, no lack in luster. Ich kann mir das noch leisten. Ein Luxus-Schmerz. so dawn goes down to day...

Donnerstag, 27. Oktober 2011

nachricht

Nach dieser Finsternis, die ganz artig alles schluckte, was wir ihr gaben, erreichte uns ein malvenfarbiger Morgen, wie ein Gruß, in die kalten Wolken gefaltet. Dann eine schlagende Tür im Zug. Ungebeten eingetreten, durch Seiten blätternd, in alle Zimmer schauend, die Vorhänge bauschend und so weiter. Wir sind nicht überrascht, dass er sofort weiterzieht, nichts hinterlassend als Unordnung. Ich hebe ein Blatt auf, noch eines, richte einen Rahmen. Ich kenne ihn gut genug, um daraus zu lesen, wir hätten immerhin alles richtig gemacht. Obgleich ich das genau weiß, öffne ich später, auf der Strasse, mein Haar. Abends sogar ein Fenster. Und er wiederholt es. Das Immerhin lässt er weg.

Sonntag, 23. Oktober 2011

Der Boden im Foyer grau gekachelt. Der Hinweg führt über den Parkplatz, gepflastert. Man weiß auswendig wie ein solche Böden beschaffen sind. Das Licht ist pragmatisch.

Ich kann nicht weit sehen. Eine Haarnadel zwischen zwei Dielen, ochsenblutroten. Inhomogene Stapel von Irgendwas, die sich an staubige Möbel schmiegen. An den Wänden persönliches, das sich nicht vor dem Licht duckt, das gestern aus bodennahen Lampen schien und jetzt schräg durch die Fenster fällt. 

Überall Kleidung, hektisch geordnet. Musik, zu laut für Mietverhältnisse, zu leise für die Umstände. Vier Paar schwarze Schuhe. Die Stiefel müssten zum Schuster. Die weiße Kerze, Kinski gedenkend. Voll auf zwei Funktion beschränkt, lehnt der Spiegel gegen die Wand. Wiederholt was ich mache, hält sich an meine Meinung. Er bleibt völlig ungerührt von den Bildern die ihn füllen.

Geflieste Wände, freundliche Deckenfluter. Viele dunkle Jacken neben der Treppe. Das Geländer, gusseisern, folgt den Stufen, säumt die Empore. Servietten aus Stoff, Reben aus Metall, das Menü auf Notizblöckchen. Die Köche mit Rücken zur Wand. In engen Reihen die Gäste.

Das Negativ eines Dark-Rooms. Weiße Folie spannt über die Wände, die Lampenschirme, die Bänke, die Theke. Mood provozierende LED's. Warme Gesichter, alle bekannt oder halt nicht. Normale Musik. 

Teerpappe. Herbstsonne auf der Stirn, Schornstein im Rücken. Skandierender Sprechgesang. Rote Flaggen auf der Strasse. Ringsum mindestens hundert Dächer. Keines brennt.

_

Man hat sich, sehr im Rahmen bleibend, Mühe gegeben. Mikado-Stäbchen, Bier, Limo und Portwein. Exponate abgehen. Dinge die ich nicht verstehe, die aber nett aussehen. Unverständliches das nicht mal gut aussieht. Dinge die mir keiner ansieht. Ich trinke zuckerfreie Cola, dann den Wein. 
Nicht sehr langweilig, ich unterhalte mich selbst mit unterschiedlichsten Befürchtungen und krümle Marlene extra Popcorn in die Tasche.

Gewollt gediegen und bemüht locker. Bierbänke und Weinfolge. "Unheimlich," findet es Julia "dass sich eure Gesten so gleichen." Bunte Macarons. Ein Mann trägt Clogs, die wie Wildschweine aussehen. Ich esse Lamm. Ojay malt die Nase von Mecki, dem Igel, in die Luft. Die meisten sind alt hier. Wir langweilen uns lachend und gehen dann auch schnell.

Ich versage mir nicht mal diese Aufruhr hier, der ich mich zögerlich, dann jedoch voll hingebe. "Boah, nein, Hilfe!" Ziehe aus Respekt keine Konsequenzen. Ich scheitel meine Haare wie ein Junge. Ziehe mich 3 mal um. Darüber kann ich lachen, mach ich dann auch.

Einen Moment lang. Dann nochmal einen Moment lang. Ich schreibe JA ABER/UND JA mit dem Finger, der genauso warm ist wie deine Schläfe. Ich hab schlimmen Durst und kann hier gegen nichts etwas unternehmen. Sehr sogar.

HÜRRIYET. HURRA. HURRAHÜRRIYET. HURRA. HURRADie Frauen tragen keine Kopftücher. Der Rauchgeruch kommt aber von einem Grill. Schade eigentlich. Gegen den Terror der PKK. Das Diktat führt hierzulande die Harmlosigkeit. Sicher besser. Ich in Sniper-Position mit Fernglas.

Aha, Och nee, Oh nein und Gott sei Dank, wirklich. Die, tja, sicher zeitaufwändige Deko, verhüllt den Raum und betont damit das Problem. Es mag hier anders aussehen, fühlt sich aber ewig gleich an. Wir möchten sofort gehen. Anna kommt noch. Nein, das ist kein Witz. Ich liebe dich auch. Wollt ihr noch bleiben? Komm, ich bring dich nach Hause. Der Typ an der Treppe- Hallo Janusz? Gib auf dich acht. Ja, immer.






Sonntag, 16. Oktober 2011

11.12.2011

Kalte Luft trägt die Geräusche weiter. So dringen einige von ihnen nach längeren Wegen, wieder durch die Fensterspalten, die mit Bedacht geöffnet und nun eilig verschlossen werden. Noch bemüh ich keine Heizung. Der Himmel ist hochtrabend blau. Zähle alle Dinge im Raum, die glitzern und komme auf eine ungerade Zahl. Gelogen. Eigentlich komm ich auf keine Zahl. Ich bin nicht sicher ob nur das zählt was ich von hier aus erkenne, oder auch das von dem ich es, nicht sehend, weiß. Oder ob Sachen, die sich spiegeln doppelt gewertet werden. Auf das Glas, befüllt mit Rosenköpfen von der Strassenbegrünung, habe ich vorgestern (glaub ich) das Wort Now geschrieben. An den Knospen sammeln sich Bläschen, die nicht aufsteigen wenn ich mit den Fingern dagegen schnippe. 

Die Aufzüge fahren bis in den 17 Stock aussen am Gebäude hoch. Die letzten zwei Etagen geht es dann entweder per Treppe oder mit dem Innen-Aufzug weiter. Die Kellner tragen schwarz, auch schwarze Handschuhe, ziemlich scharf. Aus Neugier probier ich sogar das Fleisch. Die Innenbeleuchtung fängt an, der Horizont zieht später nach. Projektleiter Tim erläutert "Spektrum Amber bis Zinnober". Der Tagungsraum in der 18ten dunkel und leer. Ca. 20 Stehleuchten, Alu, stehen im Halbkreis. Die Kabel noch verpackt. Pan-O-Rama. Rechte Hand auf dem Brustbein, die Linke sucht nach einem Kaugummi. Der Rhein. Bis auf zwei Etagen ist hier nix vermietet. "Herr Stern sitzt neben Herrn Weihnacht. Ist das korrekt?" Der Junge an der Rezeption, der kleine Concierge, hat wie ich, das ausliegende HQ-Magazin mehrfachst gelesen. Er: "Mindestens 3 mal." Ich: "Ja, ich auch, aber nur den Artikel mit den Wohnungen von Karl Lagerfeld" Beide: "Alles schwarz-weiß." Überall krasse Sympathie. Beim Essen spricht man über Vornamen und auf einmal finden alle Ben total gut, Benno jedoch furchtbar. Ich laber von den Missständen in brasilianischen Favelas und dann über Missstände an deutschen Hochschulen. Dann weiß ich nicht ob ich, Karosserien betreffend, matte Lackierungen schick oder asozial finde. Ich habe zwei Fragen zu Immobilienfonds. Meine Kollegin hat Piercings. Wie das wohl wäre Jenny zu heißen. Oder Nina. "Im siebten Semester." antworte ich. Wie es wohl wäre ein Junge zu sein. Ziemlich gut wahrscheinlich. "Nein. Acht in der Regel."

Den Weltuntergang fand er enttäuschend. Noch was anderes war auch doof, ich weiß aber nicht mehr was, also sollte das hier jetzt mal besser klappen. Markus umklebt die Flaschen sorgsam mit Klebeband und zerschlägt sie, etwas verhalten, in ein Handtuch gewickelt, auf dem Balkonboden. Ich drehe sie, gegen die Abendsonne haltend, durch die Sprünge blinzelnd, so langsam in den Fingern, wie es mir eben möglich ist. Also nicht sehr. Das Harz läuft immer zögerlicher, immer dicker die Flaschenwand entlang. Alles für ein Uni-Projekt. Thema Erinnerung. Im Wohnzimmer funkeln die Trümmer der ersten Versuche. Noch ein paar Tage hat er, um die fertig zu bekommen. Cola light, Multivitamin-Saft, Lachs, Feigen, Zigaretten und Internet- Recherche zu Knicklichtern. Aha: "Die Emission von Licht bei der Chemilumineszenz ist eine Folge des Überganges eines Elektrons aus einem angeregten Zustand in den Grundzustand. Anders als bei Fluoreszenz oder Phosphoreszens wird dieser angeregte Zustand bei der Chemilumineszenz durch eine chemische Reaktion erreicht." Wir können nicht länger warten und wickeln voller Ungeduld eine Flasche aus, bevor der Film hart genug ist sie zu halten.


Mittwoch, 12. Oktober 2011

In der ländlichen Pause zwischen der Provinz und der Landeshauptstadt, geteilt von Gleisen, zerschnitten von Stromleitungen, schmiegen sich in Abstufung rosa gestrichene Mehrfamilienhäuser wie Fleischklumpen in die mässig hügelige Landschaft. So wie die Würfel die man an Feiertagen früher zum Fondue geschnitten hat. Himmel derselbe wie heute Morgen. Zartgrau und harmlos schlecht. Im Rahmen des Zugfensters ist er fast trist. Gerade eben, im Vordergrund die Fronten der Bankgebäude, einfach nur sehr wahrscheinlich, in der Spiegelung der Glasfassaden beinahe feierlich. Die meisten Dinge gefallen in der Reflektion. Vor allem sich selbst. Zu der Gruppe mit den Aktionären gesellen sich die zwei Notare. Standbein/Spielbein for ever. Später danke ich dem Zeitgeist dass er, in welchen Körper auch immer er dafür gefahren ist, Ugg-Boots, pastellige Blousons mit Steppnähten und cognac-farbene Leder-Accesoires geschaffen hat, um damit die Gemeinen zu zeichnen, das ich ihnen aus dem Weg gehen kann.

Freitag, 7. Oktober 2011

welcoming fall

Es gibt Türen und Fenster, sie werden gefasst von Wänden. Die werden flankiert von Böden und Decken. Und alle zusammen bilden Winkel. Ist jawohl klar. Ich bin schon müde, aber der Kummer hält mich wach, bis mich die Einsicht hochzieht, eilig anzieht. Wie ein Kind mach ich fast gar nichts, alles macht sie für mich. Streift mir das Hemd über den Kopf, hilft mir an den Händen ziehend in die Ärmel. Schubst mich die Treppe runter, dass ich nicht zu spät komme. Ich weiß gar nicht wozu, aber gerate in Eile. Dann fällt die Haustür zu und ich streife die Dämmerung. Die Treppe fängt an zu schimmern und die Mauer glitzert, deshalb lass ich die Augen offen bis ich zuhause bin. Alle Stufen lang, auf keiner wird geblinzelt, bis ich oben bin. Und am Fenster stehend weiß ich es plötzlich. Ich begrüße den Herbst. 


Ob ich kurz da bleiben könnte, damit die Hunde nicht alleine sind. Bevor Claudia geht, stellt sie mir den Fernseher an und schaltet den Computer ein, fragt ob mir was mitzubringen sei. Draussen wird es echt kalt. Ich kapier nicht wie man umschaltet und gebe mir keine Mühe mit der Fernbedienung. Auftauen schmerzt genau wie erfrieren. Während ich mit den Hunden rede, nur so for fun, setze ich Wasser auf. "Ihr braucht nicht knurren, da ist nichts. Wenn ihr nicht lieb seid..." und muss ich fast lachen denn mir fällt keine Strafe ein. Man hört die Scharniere kaum, nur das Saugen der Dichtung und das Klirren der Flaschen. Die Magneten ziehen lautlos und ewig an der Kühlschranktür."Sonst fang ich an zu hoffen oder zu beten oder sowas, und dann sind wir alle verloren." Eine Tasse, noch eine, für Claudia später. Ich spiegel mich im bodentiefen Dunkel des Fensters. Im Fernsehen läuft King Kong. "Ist halt so. Da machst du nichts." Dann gucken wir alle drei auf den Boden, die Hunde und ich.


Da ist er ja endlich in echt. Was haben wir uns auf ihn gefreut. Unter anderem, weil man da einen Mantel noch offen tragen kann. Was ist dir lieber? Autumn oder Fall? Es ist nicht schlimm, dass alles fällt, versprochen. Ich kann mich nicht erinnern wann ich anfing und habe keine Ahnung, wie ich aufhören werde zu sein. 

Montag, 3. Oktober 2011

Für A.

"Normalerweise kann man so um die 70 Prozent Leistung abrufen. Da gibt es so 'nen Riegel, der die Kraft drosselt. Mit extremen Training sind es an die 80, im Höchstfall 90, aber dann mit Doping. Die letzten 10 Prozent sind reserviert für Panik. Das Ding ist: Zombies leisten immer 100. Krieger ohne Willen. Die haben nichts zu verlieren." Einfahrt Bahnhof Düsseldorf-Flingern. Es sollen in den nächsten Tagen bis zu 27 Grad werden. Ich habe mir das Bargeld lose in die Taschen meiner Shorts gesteckt. Kein Portemonnaie, das unhübsch aufliegt. Ich weiß absolut nicht, wo mein Taschenmesser sein könnte. Der Ausstieg in Fahrtrichtung rechts. Der andere Junge schließt den Thread mit : "Lebende Tote, schon klar. Aber das ist nur Theorie." Fear is for beginners, paranoia for professionals and panic for advanced. Himmel: rot-gold, wolkenlos. Comitted, ich bin comitted. Das weiß ich. Und keine Waffe und mitten auf dem Battlefield. Ich brauche einen Kampfnamen.

Im Salon des Amateurs ist nicht viel los. Auf der Damentoilette bittet ein laminierter Ausdruck um die korrekte Entsorgung der Hygieneartikel. Voll lahm. In der Hauptstadt wähnt man den Hipster schon längst tot. Hier wenigstens gesteht man sich sein rapides Altern. Darauf eingestellt haben sich, kleidungstechnisch, die Mädchen vorm Eingang. Die Knie zwar trotzig durchgedrückt wie am ersten Schultag, aber schon Frisur und Kledage wie zum Verbliebenen- Café im Seniorentreff. Vielleicht vereinen sich aber auch gerade die Visionen der Berliner Modeblogger/ Soziologen (yes- i know.) und der beiden Jungs von vorhin aus dem Zug. Das hier sind alles Living- Dead, die zum Schein Aufheben um die Proportionen von Gin und Tonic-Water machen, damit ich nicht merke das es willenlose Untote sind, mit der Superwaffe Egalness, versteckt getragen unter der Oversize-Cardigan von Urban Outfitters. Dagegen hilft nur Entsetzen, im Ernstfall erschliess ich mir so die letzten 10 Prozent.

Wirklich 27 Grad. Völlig anstrengender Tag. Ich finde grillen extrem primitiv. Ja, auch in der Oberschichten-Variante. Das schmeckt dann zwar zugegeben, aber dafür werden auch Fotos vom Grillgut auf gutem Porzellan, auf dem Blog oder im sozialen Netzwerk hochgeladen. Da hilft auch kein Alkohol drüber hinweg. Auch kein japanischer Single-Malt.

Wir bräuchten keine Waffen- nein. Auf der Parkbank, im Wald sitzend, Dämmerlicht. Wovor ich mich denn fürchte. Jedenfalls nicht vor der Dunkelheit. Die ist mein Kompagnon. Und bis sie kommt, finde ich Ausflüchte. Es wird langsam Nacht, aber nicht wirklich finster. Immer noch keine Wolken. Der Teich reflektiert die Bäume, das Display beleuchtet den Boden, unter meinen Fingern glimmt es. Im Laub und an den Ästen liegen und hängen die chemischen Lichter einer Schnitzeljagd. Dinge die man in Naturkundeführern nachschlagen kann, sind nicht unheimlich. Dinge die man hinter Augenlidern, zwischen zwei Atemzügen oder jenseits der Erwartung findet aber schon. Mond vs Knicklichter vs I-phone. Die Luft ist warm und dann wieder kalt. Wir verlaufen uns tatsächlich. Ausserdem ruft ein Käuzchen, ein echtes. Ich behalte das blaue Knicklicht bis zum Schluss, in meinen Gürtel geflochten und mein Schatten sieht dunkler aus als die Nacht drumherum.

Mittwoch, 28. September 2011

die schwere + das erdmaß

Gravitation und Geometrie. Dann denke ich mir eine Linie aus. Wie lang ist egal, und von wo bis wo erst recht. Ich weiß nicht wie sie verläuft. Manchmal möchte ich das sie senkrecht steht, dann wieder liegt sie waagerecht. Der Horizont geht nicht zur Neige, weil die Welt rund ist, gibt es immer genug davon. Anders verhält es sich mit Kummer. Da sucht man ständig neue Quellen. 

Ich bin zu zeitig da. West LB Düsseldorf. Um mich emotional und finanziell darauf einzustimmen, trinke ich einen Tee schräg gegenüber/diagonal. Die Tasse für 4,50. In dem Laden sind nur Dicke. Bis auf die Bedienung und mich. Neben mir offenbar Pädagogen. Die ältere meint, zuviel Freiheit wäre nicht gut. Kinder bräuchten zielgerichtete Freiheit. Das ist ein O-Ton. Dafür kann ich nichts. Dann sagt sie noch: "Kinder brauchen Stoff. Die brauchen Futter! Futter!" Die sagt echt zweimal Futter. Die fette Lehrerin.

Im Foyer. Die Information ist verlassen. Großformatige Bilder. Sitzgruppe. Der jährliche Bericht, zweimal in deutsch, zweimal in englisch. Die Drehtür vollautomatisch, voll metapherig. Sie ächzt, schaurig wie die Weltseele, unter der Belastung ihrer eigenen Drehung. Die Bilder heißen: "Von allen Seiten angegriffen" "Ein Zustand zauberischer Zerrissenheit" und "Baustelle II". Gegenüber das gleiche  Gebäude nochmal. Fassade gegen Fassade. Parallel. Rechteckige Sonnenflecken in der Lieblingsfarbe Gold. Midas hat die Sonne angefasst. Daher. Mich hat auch etwas angefasst. An der Schulter. Es fand mich mit dem Rücken zu ihm stehend. Jedenfalls hab ich mich umgewandt. Jetzt ächze ich unter dem Gewicht dieser Drehung.

Gestern Abend habe ich Verdis Totenmesse gehört. Links wie rechts leere Sitze, im ansonsten voll besetzten Haus. Und dafür habe ich gerade acht Euro gezahlt. Luxus den man noch bezahlen kann. Einsamkeit muss nicht viel kosten. Kein Wort hab ich verstanden. Das Programmheft mit dem deutschen Text war schon vergriffen. Dies irae. Den hörte ich raus. Zwischen dem Nichts und dem Jenseits liegt ein großes Reich. Da gibt es fast alles. Entweder bekommt man es geschenkt oder man muss es eben kaufen.

Flüsse brauchen dafür nur ein leichtes Gefälle oder weichen Stein. Das Meer braucht Planeten. Gezeiten- Junge, deine Wasser werden von schweren Massen bewegt. Der Mond ist nur ein kalter Flammenspiegel.

Ich war nie in diesem Garten, noch kenne ich persönlich jemanden der dort gewesen ist. Aber ich kenn welche, die welche kennen, die angeblich dort waren. Oder die wenigstens so heißen. Das macht die Sache aber nicht echter. Noch unechter macht es die ganze Sache, wenn ich in meine Küche gehe. Soweit ich weiß, fliessen hier nicht 4 Ströme, sondern nur einer. Nein, zwei. Der in der Wand zählt auch. Trotzdem laben sich mehrere Generationen von Fliegen an Früchten aus der ganzen Welt. Sitzen auf Geschirr, das nicht zerbricht, weil man darauf achtet. Kreisen durch den Raum, der fast frei ist von Sorge. Gemässigtes Klima. Herd und Kühlschrank als thermische Pole. Alles regulierbar. Keine Schlangen, aber Feigen. Küchenrolle auch. Kräuter tiefgekühlt, Kräuter frisch. Milch und Honig. Aroma-Clips. Meine Welt- Amen. 


Montag, 26. September 2011

der indianer ist dick und heißt nobody

Vorsichtig, echt vorsichtig, löse ich den Tesa-Film von der Rückseite des Fotostreifens. Nicht, dass sich die Papierschicht ablöst. Es ist schon Mittag durch, der Tag ist nicht mehr frisch. Später werde ich zum Einwohnermeldeamt gehen, und lügen müssen, um keine Buße zu bezahlen. Mir habe ich schon gestanden, eine Heimat zu haben. Dem Amt aber nicht. Praktischer, es wäre andersrum. Ich finde einen Platz für das neue Bild und nehme mir die Haarnadel aus dem Mundwinkel.

Der Sonntag wurde redlich begangen. Bei der Oma galt es sich blicken zu lassen und Äpfel zu holen. Mein Vater hat dort mal Bäume gepflanzt, die dieses Jahr früh und schwer tragen. Auf dem Weg dorthin finde ich, dass die Genesis ein einziges Lob der Lüge ist. Für die Wahrheit gibts den Rausschmiss. Mit Lackschuhen auf dem Rasen stehend, weiß ich: auf den Schiefern rund ums Küchenfenster kann man noch die Bildchen und Zeichen sehen, die wir als Kinder mit Steinchen oder dem Hoftürschlüssel geritzt haben. Ich schau aber nicht hin, sonder spiegel mich, die goldene Sonne im Rücken, schlecht im Fenster. Wenn ich mich anstrenge sehe ich mich, wenn ich einfach nur schaue, sehe ich die Küchenmöbel. Die Schuhe sind schon eingelaufen, das ging schnell und ohne Schmerzen. Oma giesst Tee nach, sie besteht nicht auf Untertassen, hat aber welche. Ich verstehe nicht, sag ich zu ihr, Menschen stellen ernste Fragen und tragen meine Antwort, die ganz klar keine ist, so stolz wie billigen Schmuck. Fragen mich noch, ob ich die Öse im Nacken schliessen helfe. Oma fasst eine Hand, die zufällig meine ist, und unzufällig genauso aussieht wie die ihrer Tochter und die ihres Mannes. Mit dem Bus fahr ich später in die Augusta-Strasse, die sogar eine Allee ist, zu Simon. Wir sitzen in der Küche mit Jolle und Norman. An der Wand hängen viele Uhren, der Kuckuck der einen ist defekt. Manchmal kommt der ganz unvermittelt raus und macht sein Geräusch. Während wir da sind aber nicht. Auf der Toilette zolle ich meiner Blase Respekt für den Move, Blut in meinen Urin zu mischen. Harte Geste. Dann kommt Johnny Depp, sammelt Papierblumen und Schußwunden. Auf dem Heimweg verliert Simon seinen Führerschein, so gelassen wie noch keiner seinen Führerschein verloren hat. Im Flur angekommen, schraube ich eine Birne in die neue Lampe auf der Kommode. Ich möchte keinen Lärm machen, bin aber zu müde still zu sein und zu wach, um es dunkel zu lassen. Wer den Fehler im letzten Satz findet, wird mit Reichtum und Freiheit belohnt.

Samstag, 24. September 2011

die letzten ihrer art

Das ihr sterblich seid, ist nicht der Fluch. Das ihr die Ewigkeit erfunden habt. Das ihr sie sehen möchtet,  für ein oder zwei Momente lang. Das ist echt albern, gehört aber dazu, wenn man dazugehören möchte. Und das wir Worte gebrauchen müssen, um Fleisch, Blut und Knochen, und all das was darunter noch liegt, uns erklären zu wollen. 

Ich kleide mich langsam an, wähle ein anderes Paar Schuhe, da ich die neuen nicht an einem solchen Ort einlaufen möchte. Ich vergesse das alles, aber das Leder nicht. Als ich ankomme, schneidet mich das, was uns bindet. Diplomschau, die letzten. Nach euch die Bacheloranten: Simon schreibt mit einer Rohrfeder TOD auf ein ausliegendes Blatt. Naturweiß und matt, die Tinte blau. Ich muss zur Toilette und verfluche meinen Jump-suit, bis Esther diesen lobt. Danach erschmeichle ich mir aus Versehen Sekt. Später setze ich, mit einem nicht unlauten, direkt der Seele entweichendem Seufzer, ein +Verzweiflung unter Simons Notiz und ziehe ein eher ungelenkes Herz darum. Dann Feier im Sommerloch. Der Zufall schlang sich mir ums Handgelenk, zahlt mir den Eintritt. Mein Licht ist heute gedimmt, der Traffo summt. Ich suche mit einem gewissen Fieber bestimmte Gesichter. Gefunden, reicht mir das Wissen um deren Nähe. Und deren Nähe auch noch vor Ort, ist ja fast schon zuviel. Auf der Tanzfläche zweifelt Robin an meiner Fähigkeit zur Freude, was mich freut, aber heimlich. Meike küsst mich mit Zunge. Ich trinke Wodka, Wasser und Blasen- und Nierentee abwechselnd. Sie wolle mir nicht zu nahe treten (zu spät, die unlautere Distanzunterschreitung entstand schon im Akt der Ansprache), sagt ein ätzendes Mädchen, aber Blasenentzündungen würden oft durch Sperma verursacht. Ihren Blick schmiert sie wie eben solches in mein Gesicht. Jedenfalls klebrig. Bevor ich noch schlimmeres sagen kann als mein Körper unverhohlen vermittelt, zieht mich Ojay am Ärmel weg. Ärgerlich. Dafür gestehe ich im Stillen, der Welt hier, mein vollstes Verständnis und ungebrochene Anteilnahme. Zeitgleich bekritzel ich Flyer mit niederschmetternden Botschaften. 



Mittwoch, 21. September 2011

ein, zwei, drei, fear

Sehr kalter, günstiger Wein aus Spielotheken Gläsern, eingraviert die lachende Sonne der Merkur-Daddelhallen. Bernado fordert mich überflüssiger weise zum stehlen auf. Während des Stückes steht er auf, um sich selbst auch eins zu besorgen. Eine augenscheinlich unhöfliche Aktion, aber wichtiger Bestandteil der Szene, in die die hier aufgeführte, eingebettet liegt. Ich habe nichts als Ahnungen und Unrast. Es ist schon sehr kalt draussen. Wir müssen lachen, weil es verboten ist. Die Stühle haben Schlüsselloch-förmige Aussparungen in den Lehnen, welche ich, der Theatralik halber, dreimal mit dem Finger nachfahre. Beim zweiten Mal schon möchte ich aufhören. Aber zwei ist so konkret. 

Ich bekomme in den folgenden Stunden ca. 5 Ohrfeigen, bei den letzten, erteilt in Boris Küche, kommen mir fast die Tränen. Jedenfalls kitzelt es in der Pharynx so, als würde gleich etwas passieren. Wie beim Gähnen oder Niesen, wenn auch dies nicht ausgeführt, im Hals verebbt. Weinen- ein Fremdreflex.

Die Musik find ich ganz gut aber ich bin schon recht müde. Das Zimmer ist kühl, das Licht warm. Mit den Augen heiß ich die Hunde still zu sein. Ich wechsle mehrfach Sitzplatz und Raum, aber sie folgen mir. Fahrräder im Flur. Lyrik an den Wänden. Ein nasser Balkon. Wem gehören die Tiere? Dem, wem sie folgen. Nein- dem, den sie dienen. Ich gab ihnen vom Tisch meiner Angst, als ich satt war. Das ist lang her. Hunde sind dumm und gierig.

In der Küche meines Vaters und seiner Frau, steht letztere im Dreiviertel-Profil vor mir und weint. Wir können uns nicht ausstehen. Um uns herum orange Herbstdeko, auf dem Tischtusch, dessen unsichtbare Falten sie mit ihren alten Händen glättet, steht ein bizarrer Zierkürbis. Ich umarme sie, weil man das so macht wenn jemand verzweifelt. Emotionen und Etikette. Floskelhafter Trost. Ist das noch aktuell? Heutzutage muss sich ja, zum Beispiel, der Niesende entschuldigen. Wegen mangelnder Reflexkontrolle.

Samstag, 17. September 2011

bodyshop; ca. 20 euro

Da geht man in den Korridor und schon langt einem das Gestern ins Gesicht. Ein warmer, langsamer Schlag. In einem Zug und sicher ausgeführt. Im Flur riecht es nach dem letztem Sommer. Genauer: nach Berlin Mitte. Das ist keine Magie, sondern die Frucht ähnlichen Konsumverhaltens. Kathrin benutzt dieses Parfüm noch immer. Ich benutze nun andere. Falk, beim Frühstück. Jonas kopfüber, die Kniekehlen um eine Haltestange geklemmt. Nik, wie er einen Kragen ordnet. Silke, wie sie einen Kragen ordnet. Silke, einen Ärmel feststeckend. Ich, in den Pedalen von Nik's Fahrrad stehend. Tiergarten, Görlitzer Bahnhof, Kleine Reise, ein Krankenhausflur. Jonas mit Taschen voller Aids-Handschuhe. Eine Schaukel in der Bar 25. Eine Schaukel im Mauerpark. Konfetti. Nik blass, im Bett. Nik blass, vorm Rechner. Silke und Falk händchenhaltend. Oranges Strassenlicht. Mein weißes Handgelenk. Ich, in den Pedalen von Falks Fahrrad stehend. Unterdrücktes Lachen. Nik isst chinesisch. Silke wünscht sich ein Kind. Verstecken in der Stargasser. Gesundbrunnen-Center. Untergehakt bei Nik. Jonas sagt einen Psalm in hebräisch auf. Ich, sterbend vor Lachen auf Falks Sofa. Ich sterbend vor Lachen in der Videothek. Wir, sterbend vor Lachen neben dem Passbildautomaten, umzingelt von schwäbischen Hipstern. Nik, Zigaretten und Liebe ablehnend. Der Wäschewagen im Keller der Charité. Ein Bauzaun am Ostkreuz. Silke isst koreanisch. Falk telefoniert. Falk legt ein Halstuch über die Küchenlampe. Kaffee im Spülstein, Blut auf Hartschalensitzen, Kettenfett auf Waden. Die Spree. Meine Fensterbank. Holzdielen. Das Geschirr von Vorgestern. Ein Satz von letzter Nacht. Nein, zwei. Der Himmel von neulich. Ein Anruf für Morgen. Ich, liebend. Ich, sterbend vor Lachen in einem Innenhof, eine Hauswand im Rücken, kein Boden unter den Füssen.

Donnerstag, 15. September 2011

angemessen arbeiten

Auf einer Bergkette. Auf wessen Zenith ist unklar, die Aussicht ist schön. Sitze in meinem Büro, halbnackt, gegenüber eine schöne, jüdischstämmige Russin. Wir hören Siegfrieds Todesmarsch; essen Feigen und Passionsfrüchte.
Sie erzählt von einem Jungen wie Blut und Milch, 21 Jahre alt, Bade. Er redet meist Schrott, studiert Medizin und schmachtet via Skype. Sie waren in einem Labyrinth bei Schönbrunn. Schön. Brunnen.YES.  Irrgarten. Ich möchte das wir uns ständig verlaufen, und bin mir zu modern, das auch noch zu wünschen. Nicht wegen der Möglichkeit zeitiger Navigation. Wünschen ist out.

Sonntag, 11. September 2011

my own world fade center

Ich weiß nicht genau wann ich damit anfing, mein Herz von mir zu lösen. Es selbst erinnert sich ungern und schlecht. Es sitzt jetzt gerade im Fenster und schaut raus, wie ein Rentner, nur ohne Kissen. Jetzt ist es sauer, weil ich Rentner gesagt habe. Pussy.




Freitag, 9. September 2011

private sammlungen

Alle Linien laufen auf einen Punkt. Der Mittelstreifen glänzt, die Mittelsäulen-Signale leuchten türkis. Morgens ab- und abends heimreisen. So und selten anders, bitte. Der Chemnitzer Pilot redet über Wirtschaft, dänische Bettenlager  und die Unsauberkeit chinesischer Messebesucher. Simon hakt ab und an nach, er ist darin wirklich begabt. Fachmännisch. Ich bin tatsächlich angetrunken von einem Wein, den wir kurz zuvor in der Hotellobby des Lidner Hotel Hagenbecks getrunken haben. Dort saßen eben noch schweigende Chinesen.Wir nun sitzen in einem winzigen Chevrolet. Ich hinten, auf der Suche nach etwas das ich klauen kann, natürlich prinzipell. Haha! Wir lachen, weil in einem Satz jetzt die Begriffe Rasse und Hygiene fallen. Der Chemnitzer wuchs in Bautzen auf. "Berühmt für Knast, Stasi und Senf" Das hat er jetzt aber selbst erwähnt. "YES: Regen" Simon dreht sich um. High Five. Der Pilot meint wir würden gar nicht glauben, was man an einem Auto alles putzen könne.

In der Wohnung des, zumindest körperlich abwesenden Paares, spannen sich emsig gewebte Rettungsnetze. Nippes als Anker. Liebe Fussmatten und grüssende Tassen. Die Drudenfüße der Gegenwart sind aus Tongeschirr mit Serviettentechnik. Das Unglück soll draussen bleiben. Im nahen Osten, an der Tramhaltestelle oder in der Betiebs-Cafeteria. Die Initialen der Liebenden aus lackiertem Karton auf der Fensterbank: "Es ist ihnen alles zu unsicher, zu abstrakt, deshalb vergegenständlichen sie es. Die brauchen die Emo in 3D." Simon hat ihnen ein Mimosen Zucht-Set geschenkt. Wohnungen sind ja auch immer öfter Museen der Angst. Ich will mich, schöpfend um Kultur bemüht, darum sorgen, diese auch zu schüren. Selbstlos, wie meist.

Freitag, 2. September 2011

zirkeltraining

In der Septembersonne sitzend, beobachte ich einen Jungen auf der uns gegenüberliegenden Seite der verkehrsberuhigten Zone. Ziemlich linkisch, etwas mürrisch ist er; munter zusammen gepuzzelte Kledage. Hose rostfarben, Shirt cherry. Auf letztem, das abgewandelte Logo eines bekannten Fertiger von Plastiksteinchen. EGO. Der Gag ist nur halb zu lesen, da der Riemen der LKW-Planentasche, ihn vor der Brust kreuzt. Lustig, weil's stimmt: Er sieht schüchtern aus.

Ich bin heute der Fuchs im Wolfspelz denn ich trage meine, um einen Mantel erweiterte, Arschloch-Garderobe und werde auch allerorts freundlich bedient. Aber es freut mich nicht richtig, denn es bedeutet nichts. Jeder wird heutzutage freundlich bedient. Quer durch die Stadt laufend, streife ich die halb-wilden Rosen der begrünten Flächen und die billigen Stoffe auf den Kleider-Rondellen. Bemühe mich dabei dasselbe zu empfinden. Es klappt nicht. 1:0 für die Rosen.

Der Mantel stünde mir. Säße auch gut. Witzig: drei Krägen. Etwas ernst würde ich wirken, fast traurig. "Nein, ich berechne nur die Eigenschutz-Zeit meiner Haut." Das tut gut. Das habe ich letzter Zeit vernachlässigt. Dabei hatte ich es mir so fest vorgenommen, mehr zu Lügen. Nicht der Moral halber, der Mode wegen. Ach, ist ja dasselbe. Dann meinetwegen meinetwegen.
Gehend gleiche ich die Gesichter der anderen mit meinem ab. Der Mensch kann, lange bevor er Gut und Böse auseinander zu halten versucht, schon sehr fein, zwischen hässlich und schön unterscheiden. Es ist viel zu warm für einen Mantel. Ich schlage die Krägen hoch. Eins, zwei und drei.

Sonntag, 28. August 2011

windows of wisdom

Zeitraum relativ genau benennen, Spanne gut einengen. Dann diese maximal aufdehnen. Die vierte Dimension vergewaltigen. Die Idee hab ich aus einem Schaufenster am Rathaus-Vorplatz. Da ist seit zwei Monaten Mid-Season Sale in diesem Geschäft. Gewalt ist, was wir draus machen. Demolierung kostet erst Überwindung, dann vor allem Kraft. Kaum einer sieht die Wertsteigerung des Subjektes darin. Der Kurs einer jeden Ware, steht eigentlich nur im Moment des Tausches fest. Ein Bruchteil Zeit. Danach und davor ist alles offen. Alles ist verhandelbar.

Freitag, 26. August 2011

Die ganzen Welten, die wir schaffen, um sie niemals zu betreten. Ganz schön viele.

Dienstag, 23. August 2011

Beckhams Tochter Harper Seven ist da! Was der Name bedeutet und wieso Katie Holmes ihren Körper kaputt hungert und Tom Cruise hilflos zusieht.

Jetzt habe ich ein paar Hinweise mehr und könnte ein Rätsel lösen. Lieber schau ich aus dem Fenster. Oder in den Kühlschrank. Oder ins Soziale Netzwerk. Soll man ja nicht, Rätsel lösen. Oder man nimmt die Mühen auf sich und erschafft an anderer Stelle sofort mehrere neue. Wer sich an dieses Gebot nicht hält, wird mit sofortiger Ennui oder schlimmer noch, Deutlichkeit bestraft. Welch grausames Gericht.

Kathrin sonnt sich auf dem Dach. Sie kommt rein während ich dies hier schreibe (extreme Aktualität). Sie sagt Misstrauen wäre doch etwas fantastisches. Und das gäbe es sogar umsonst. Ich folge in ihr Zimmer. Wir wären dem allem doch nicht würdig, sag ich. Was sie zum Beispiel gemacht habe, als diese Nacht das echt krasse Gewitter war. Geschlafen. Ich nicht, aber ich hab so getan als würde ich schlafen. Voll schlecht übrigens, hatte nicht mal die Augen zu.

Auf dem Balkon hätten wir stehen müssen. Aus uns wird doch nichts mehr. Halbherzig- ach. Zu müde für die Ewigkeit, zu munter für den Tod. Mein Fenster stand auf und es hat überhaupt nicht reingeregnet. Versteh ich nicht. Ein Poster hat sich gelöst, immerhin. Ich nehme mir eine Zeitschrift vom Stapel neben Kathrins Bett und sie schreibt mir einen Zettel, weil sie sagt es sei zu groß um es auszusprechen: "He said: Baby, you are magic. I said: no honey, just a trick." Danke, Kathrin. Ich gehe aus dem Zimmer. Auja: I'm leaving, speechless. Wenn ich's löse, ist das dann auto-aggressiv? Vielleicht tut es ja wenigstens ein bisschen weh. Ich les noch ein bisschen vorher. Was ist das eigentlich für eine Zeitschrift? Haha! Sie heisst: OK!.

Sonntag, 21. August 2011

disco. teil 1000.

Letzten Sommer, als es mir noch neu erschien und ich mit seiner Ungeheuerlichkeit noch nicht vertraut war, stand ich manchmal auf der Strasse, auf Kieswegen oder in Korridoren und wollte unter der Fülle dieses Segens auf die Knie fallen. Und wie es manchmal zieht. So unerbittlich. Und dann schiebt es wieder. Es ist kein Kampf, es ist was schönes, aber ich kenne keinen Namen dafür und ich halte es nie fest. Manchmal wohnt es in den Fingern, oft unterm Brustbein oder hinter der Stirn. Kann sein es mag Wasser. Ich hab nicht gefragt. Es ist auch nicht neu, so wie ich es kaum sein kann. Es war jedenfalls da. Dann hab ich gleich ihm gehört und es mir. Sonst gehört keiner niemandem. 

Den Ventilator im Rücken. Er steht im Eingang zu einer anderen Halle. Der Edding sprach: Kein Ausgang. Die Doppeltür steht aber offen, also halb-offen, dazwischen eben der Ventilator. Alexije der Jurist, gesteht mir Onanie in Verbindung mit Gedanken an mich. Er beschäftigt sich von jeher viel damit, also mit Onanie und so weiter. Das ist sein Alltag. Unzucht und Ordnung. Das Kompliment, als das es gemeint war, ist also irgendwo genauso seriös oder vulgär wie Bemerkungen über das Wetter oder offen ausgebreitete Zukunftspläne. Oder Entrüstung: Simon wird von Phillip in ein moralisches Gespräch verwickelt. Es geht um Werbung und Ethos. Auf dem Dancefloor. Aber Simon schüttelt es schnell ab und schlägt mir vor lauter Happiness mit der flachen Hand ins Gesicht. Alles wird gut.

Klischee aber überpräsent: Knochentrockene Beats und nässende Leiber. Einer hat ein gutes T-Shirt mit einem nicht extra gesetzten Brandloch. Die Kippe ging wohl durch, als es ausgezogen wo rumlag. Das schreit er schüchtern in mein Ohr. Am Rücken ist das Loch rechts auf Nierenhöhe. Vorne liegt es zwischen Schlüsselbein und Herz. Boah. 

Donnerstag, 18. August 2011

physik

Lässig mit allem Verfahren. Wasser friert von innen nach aussen. Ich bin voll mit Flüssigkeiten. Teilweise meine. Um 8 weckt mich der Lärm von der Strasse. Sperrmüll. Kleide mich halb an und haste Treppen runter. Dann hoch. Finde auf Anhieb mich und andere. Seidenmatt. Hochglänzend. 9x13. Ich behalte nicht mal die, auf denen ich gut aussehe. Aber die, auf denen ich jung und verloren wirke. Ich bin Profi und weiß, was ich mir schuldig bin. Unter anderem Lonlyness und Lässigkeit.

Seebeck- Effekt. Während wir unsere Wirbel und Rippen abzählen. Ich habe wenig Ahnung davon. Eigentlich gar keine. Guck mal die, vor zehn Jahren war das. Genau zehn. Siehst du- ist Sommer auf dem Bild hier. Ich teile mit dieser Person nicht mal eine Vita, nur einen Körper. Und tja- jetzt teil ich ihn mit dir.

Montag, 15. August 2011

extra-time, on the ground.

Ganz schön harte Knochen. Blond ist er gewesen, als Knabe. Damals hat er wohl viel Milch getrunken. Im Hausflur fällt die Gardinenleiste mitsamt der Verblendung ab. Im Vorgarten der Bürger blüht weißer Mohn. Ich nehme mir vor selbst welchen zu sähen. Zu Fuß laufe ich durchs Villen-Viertel in die Innenstadt. Habe den Bus verpasst, treffe Kathrin die mich mitnimmt. Ich muss mehr Dinge schweigend tun. Auf dem Weg von den Höhen in die Stadt runter, quere ich kleine Bäche, Spielstrassen, unbefestigte Seitenstreifen, sogar die Autobahn. Die Kulissen stehen Schlange. Der Himmel hat dieselbe Farbe wie das Brückengeländer. Mein Bruder ruft an. Wir lachen zum hundertsten Mal über den Nachmittag im letzten Sommer, an dem wir völlig unnütz, die (wie neuen) Bankirai-Gartenmöbel unserer Großeltern abgeschliffen und gewachst haben. Wir sollten im Garten helfen. Ich muss irgendwie das Gewehr rausschmuggeln. Aber wie?

Samstag, 13. August 2011

Noch ein Nachtrag: Ich zitiere um 4 Uhr früh, die letzte Strophe der Ballade vom Zuchthaus zu Reading, sogar im Original. Den Vorwurf unromantisch zu sein, weise ich also hiermit entschieden zurück. Ausserdem: Beim Sterben schliess ich jedes Mal die Augen.

freunde der nacht

Ach, was glänzt und glitzert es so schön. Ich stehle aus Versehen Maxim's Fliege, mir um den Hals geknotet. Er war sie leid und ich befand sie zu schick, um sie ihn in der Hosentasche verstauen zu lassen. Maxim trägt auch gern Siegelring. Kevin ein langes Pony und Schienbeinschoner, Glitzer im Gesicht und sowieso den besten Namen ever (Kevin John Krieg). Bernhard trägt eine Indianerfeder (ich denke er wurde dazu halb vom Arbeitgeber gezwungen) und das Stigma des Barjungen, das aber mit Fassung. Knipp einen Hut und eine Adlerbrosche. Sebastian trägt heute angeblich erstmals einen V-Ausschnitt, leider dazu ein wenig zu viel Unsicherheit. Ein unbekannter Junge sein Herz auf der Zunge. Später reicht er es mit dieser, einem betrunkenen Mädchen. Die Nacht trägt Marine und ich trage Nelken, einen ganzen Brustkorb voll. Und einen Stockschirm, da der Himmel sein Versprechen hält. Mit Unterbrechung, dann wieder ambitioniert.

Freitag, 12. August 2011

Nachtrag: Es ist ein schwules Paar, Anfang 30. Mark ist tätowiert, wahrscheinlich keine Vorstrafen. Seine Mutter und ihr Lebensgefährte (Mark nennt ihn Klaus) helfen beim Sofentransport. Er freue sich auf gute Nachbarschaft, sein Freund sei grade in Berlin. Ja dann.

street credibleness

Unter uns renoviert ein Paar. Sie ziehen gerade ein und geben sich echt viel Mühe. Sie streichen sogar den Balkonboden. Parkett und so, klar. Ausserdem ist er freundlich im Flur, die Freundin sah ich noch nicht. Gestern erst habe ich auf dem Heimweg erschreckend wenige rauchende, werdende Mütter gezählt. Der Voodoo-Neger lässt sich auch schon seit Tagen nicht mehr an seiner Hausecke blicken. Hier wird sich doch nicht eine Gentrifizierung abzeichnen? He!- das ist kein Szeneviertel, wir sind nicht in der Hauptstadt. Aber wir wohnen im Altbau mit Doppelverglasung und der Vermieter ist trotzdem Schwabe.

Mein Bruder meint ganz unüberlegt, ich wäre ein Misanthrop. Völlig nicht richtig. Na gut, aber ich sei jedenfalls meist feindlich und agiere gegen das uns umgebende System. In diesem aber bin ich der reinste Humanist, bin nicht nur angepasst sondern schlage ab und an Schneisen, auch für andere. Ich setze einen guten Teil meines Geldes in Waren oder Dienstleistungen um. Ausserdem bin ich oft unterhaltend, sogar gratis. Ich bilde mich weiter, bleibe dünn und bemühe mich um äusserste Flexibilität. Das bemerkt auch eine Gruppe eher roher Nachbarskinder. Ein etwa zehnjähriger Knabe fragt, ob ich Single bin. Ja, Junge. Schreiend verspricht er mir, mal einen Lamborghini zu besitzen. Tut mir leid, ich kann nicht warten. Und bitte nicht zu viele Neuwagen hier. Die Strasse wird sonst teuer.

Dienstag, 9. August 2011

happiness is a warm gun

Es regnet die ganze Nacht durch heftig. Die Regenrinne läuft über, die Scheiben wirken wie geschmolzen, ich seh garnichts. Der Regen verwässert sogar die Differenz zwischen Tag und Nacht. Die Dämmerung ist als solche jedenfalls kaum auszumachen, wird von den Ziffern des Displays in Klammern gesetzt. Die Uhr von Anna's Großvater steht seit ein paar Tagen nebenan im Arbeitsraum. Jetzt finde ich sie auch zu laut. Komisch, als sie neben meinem Bett tickte, war es gut auszuhalten.
Es wird ein klischee-satter Tag werden. Natürlich bin ich schlechter Dinge. Auch bei der Schneiderin, die mir die Hosenbeine erst ab Knöchel, dann seitlich vom Knie an abwärts absteckt, dabei wissen möchte, wie ich auf ihr Atelier aufmerksam wurde. Sicher will sie ihre Werbung verbessern. Da sie mir zu vornehm tut, und ich ihre Preise übertrieben finde, antworte ich falsch. Ausserdem macht sich die Bitch über Nähte lustig, die ich irgendwann mal gesetzt habe. Ich lach ja auch nicht über ihre beschissene Visitenkarte.

Den frühen Nachmittag, verbringe ich in der Vorstadt, bei meinen noch lebenden Ahnen. Oma meint, ich sähe heute aber schick aus. Ich sehe aber aus wie immer. Trotzdem stimmt es. Ich hatte gestern Abend eine leise Panik, aus der Zivilisation zu fallen. Deshalb fällt die Garderobe etwas strikter aus als sonst. Die Form muss es zusammenhalten. Das ist keine neue Idee. Hab ich aber auch nie behauptet. Eine andere ist die Besinnung auf meine provinziellen Komponenten. Die rohen Wurzeln als Halt.

Wunderbar finde ich, was mein Stiefvater und ich ernsthaft an diesem verregneten Sommertag im Garten tun. Wir schiessen mit einer Flinte 4,5mm Munition auf einen Karton, den wir am Ginkobaum festmachen. Die Zielscheibe bastelt er, indem er mit dem Fasermaler die Kugeldose auf einem Papier umrandet. Das Kreuz zieht er an den Kanten eines Aschenbechers, voll mit Zigarrenstumpen- yes. Was soll ich sagen: Ich schiesse Freihand, ohne abzustützen und treffe sehr gut. Ich habe Urlaub und eine ruhige Hand. Oma steckt mir Taschengeld zu, die Sonne bricht ab und an durch. Was sangen die Beatles noch?

Sonntag, 7. August 2011

komische architektur

Ich konstruiere Interpretationsräume. Die Wände kann man nicht durchgängig tasten. Türen halten sich sporadisch darin auf. Das macht aber nichts. Das Interieur selber steht ja über der Physis. Wer behauptet man könne Vergangenes nicht ändern hat einfach kein Talent im Erinnern.

Samstag, 6. August 2011

ungeheuer täuschen

Eine gute Taktik im Umgang mit den Dingen die man graut, ist diese fest zu umarmen. Unser Zittern wird dann nicht der Furcht, sondern der Erregung zugeschrieben. Den Schrecken schmeicheln klappt erstaunlich gut. Häufig sind sie selber uns dann schnell erlegen. Wer kann schon von sich behaupten, dass die Ängste sich ihm hingeben? Leichtsinn ist das neue Schwarz.

Freitag, 5. August 2011

Der Götter Pflichten: gut aussehen und ans Schicksal glauben. Sie müssen. Sonst gibt es sie nicht. Wir selber bedienen uns dieser Gebote. Wir sollten. Sonst sieht man uns nicht. In diesem Streben schöpfen und nähren wir unseren eigentlichen Körper. Den wichtigeren. Dieser wird in die Schlacht geschickt, die es eigentlich nicht gibt. Der Moderne ist Selbsterzeuger. Wie finden das wohl die Urheber? Schöne Dinge hat man nicht alleine. Das gilt wohl auch fürs Schicksal. Von den Göttern gestohlen, den Menschen gereicht? Wer wählt schon Feuer wenn es Verhängnisse gibt. Ganz so ist's ja auch nicht. Damit sich alles auch so wichtig anfühlt, wie es aussieht, brauchen wir sie noch, die Götter. Zum Dank schenken sie uns Widrigkeiten. Sie sind vom Fach und wissen halt wie's geht.




Montag, 1. August 2011

they call me maybe

Mein Bruder bedauert und beglückwünscht mich für meine Empfindungen. Und damit ist alles gesagt. Tatsächlich. Ich kann weder das eine, noch will ich das andere sein. Und das in nahezu allen Belangen. Zuhause bin ich zwar allein, spür es aber nicht so richtig. Daher lad ich mich bei Freunden ein. Ich mag sie sehr. Sie finden ich sei zu schmal geworden. Ich esse Pflaumen an der Spüle und glaube Dirk als er lügt, die seien aus dem Garten. Ja ob ich denn jemals einen Pflaumenbaum bei ihnen gesehen hätte.

Tatsächlich schauen wir Tatort zusammen. Eine Wiederholung. Hab ich schon mal vor  tausend Jahren gesehen. Bekomme die Handlung trotzdem kaum mit. Ich empfinde so heftig und habe keine Ahnung wofür und wohin damit. Damit fängt ja immer alles an. Ich hoffe es hört nie auf damit. Ich denke das hält mich so schmal.

Mein Gemüt ist heute wie Gold. Ich treibe es so dünn und fein aus, dass ich es Abends über die ganze Stadt legen kann. Alles schimmert warm. Auf dem Weg in mein Viertel such ich keine Fragen aber Bestätigung. Ich finde sie in den Fensterscheiben der Autos und Parterre-Wohnungen. Letztens kam raus, dass ich gar kein Mensch bin, sondern Drang und Sehnsucht, vorläufig und leidlich mit Haut umschlagen. Das kann man aber nicht sehen, auch nicht im Glas. Man ahnt es, wenn man mich anfasst.

Samstag, 30. Juli 2011

zack- doch nicht

Ausgeliefert wär ich gewesen. Aber es ist ja nicht passiert. Also doch. Es ist passiert, aber ich war nicht da.  Eigentlich wär ich auch da gewesen. Aber mein lieber Freund, der Zufall, hat sich im Vorbeigehen zur Begleitung angeboten. Auf der Strasse, wo er meist weniger subtil daherkommt als in Räumen. Ich habe eingewilligt, er sah gut aus und so. Mit Schönheit schlägt man noch die Stärksten.
Als Profi- Konsumer brauche nicht viel. Wenn ich mir etwas anschaffe, dann aber solide. Schön solls sein und beanspruchbar. Mit Beschwernissen verfahr ich da kaum anders. Ich habe ja, ein Glück, die Wahl der Qual. Wär ich nicht im letzten Moment weggelockt worden, hätte ich ihn getroffen. Ich werde geliebt, ohne Witz. Man schickt mir sogar nette Jungs um mich abzulenken, dabei hätte es ein vergessener Haustürschlüssel auch getan.
Für die Wahl hätt ich mir nochmal zugenickt. Die Fassung hätt ich nicht verloren. Dazu war meine Garderobe zu charmant. Richtig staffiert fällt man nicht aus der Rolle. Es hätte geziept. Mehr nicht. Mit Tränen halt ich mich zurück- mit Küssen nicht.

Donnerstag, 28. Juli 2011

cach leeren

Daran kann man es erkennen: Es fällt weder leicht, noch schwer. Das ist das Besondere daran. Wenn man es findet, das Besondere, das man ja immer suchen muss, soll man es dann aber ignorieren. Ganz einfach. Ich habe heute noch nicht gelogen. Ich glaube, ich hab mir auch nichts gewünscht. Da bin ich mir aber nicht so sicher. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern. Beides, also Erinnern und Wünschen, bekommt man ja oft nicht mit, das passiert einfach so und auch ständig. Ich verwechsle es außerdem häufig.

Dienstag, 26. Juli 2011

Montag, 25. Juli 2011

siehe letzter post

Mein letzter Eintrag hier, zeugt von einer Erkenntnis. Das war's aber auch schon. Was macht man denn so in Sackgassen, wenn man schon auf halben Wege weiß, dass man denselben auch wieder zurücknehmen muss? Das ist ja das schlimmste an Sackgassen. Das Sie nirgendwo hinführen ist ja das eine. Aber das man dann denselben Weg nochmal gehen muss.

Wenn ich sie mich schonmal finden, heb ich diese Schlüssel auf, weil sie ein bisschen schön aussehen. Fasse sie kurz an und leg sie dann zurück. Da keiner je eine Tür öffnet, müsste man sie nicht behalten. Im Geiste aber sammel ich mir einen ziemlichen Bund zusammen. Lästig. Ich mach das garnicht extra. Das geht von alleine. Den letzten schrieb Markus auf einen Zettel. Nichtsahnend. Vllt kann ich damit aber ein Kapitel schließen. Mal schauen ob er sich dreht.

Später dann, als der echte Himmel draussen schon dunkel ist, setzt sich drinnen ein ehrlicher, aus dem Licht der ihn projiziert und der Rauhfasertapete zusammen. Ich weiß noch diesen Morgen, als ich wirklich traurig an die Zimmerdecke starrte und mir Sekunden später lachend schwor, nie wieder mit so einem Ernst auf Strukturen zu blicken. Schon garnicht auf diese. Keine Ehrfurcht vor Erfurt.

Samstag, 23. Juli 2011

sonnabends schon kirchfein

Im Kreuzgang der jungen Nacht knien, sich mit Parfum bekreuzigen und hoffen sich nicht zu verlieben.
Wenn ich einmal sterben müsste vielleicht. Aber das halte ich für abwegig. Wahrscheinlich löse ich mich auf, bevor sowas passiert. Ich denke sogar freiwillig. Der Tod kann mir nichts anhaben, weil ich schon vorher in Gesten und Bilder zerfallen bin, die ihm einfach zu gut gefallen.

Freitag, 22. Juli 2011

flackern vs glühen

Der Sommer sieht es nicht ein, den an ihn gerichteten Erwartungen nachzukommen. Er ist nebelig und feucht und kühl. Es gibt keine Schatten, nur kaltes Weiß in diffusen Abstufungen. Das Licht steht einfach so im Raum, ohne vernünftig geschluckt oder reflektiert zu werden. Leider findet das Nebulöse keinen Gefallen. Daher ein Ansatz, den ganzen Kontrast in der Zeit von Dämmerung bis Morgengrauen zu schaffen. Künstlich. Hartes Hell und Dunkel. Wir nutzen dazu unsere Körper, die Gefühle anderer und Elektrizität. Die Methode ist sehr üblich, die Praxis ziemlich gängig. Aber: Wer unterhält hat Recht.

Montag, 18. Juli 2011

erste welt schmerz

Jede Realität hegt andere Qualen. Wir leben in dieser, in der man eher die große Liebe findet als zufriedenstellende Funkkopfhörer.

Sonntag, 17. Juli 2011

Eigentlich muss ich schlafen aber ich lehne erschöpft und des Schlafes unwillig gegen den kühlen Putz. Was mich endgültig dahinraffen wird ist die Schönheit die hier passiert. Deshalb auch meine Verweigerung gegenüber der Müdigkeit. Ich kann nicht verpassen, wie sich draussen alles auflöst und abfliesst. Der Heimweg durch ein nasses Schwarz- ich war nie Teil von etwas schönerem. Alles ist nass und dunkel. Und es hört nicht auf zu regnen. Seit Stunden schon. Fassaden, Strassen, Ampelanlagen, Fenster, Stromkästen. Eine einzige fliessende, von Schwärze umspülte Masse. Und nur die unterschiedliche Reflektion erlaubt meinen Augen ein paar vage Unterscheidungen, welche meine restliche Wahrnehmung, das dies alles ein Stoff ist, nicht überzeugt, der Orientierung aber ziemlich zuträglich ist und der Situation gut steht. Nacht, Regen, Glitzer- ein selten gutes Line-up. Mein Puls, die Strasse, mein Sehnen, die Ströme: ein endloser Loop. Und alles Dafür und Dagegen, alle Do's und Don'ts: ein zuckendes Stroboskop.

Samstag, 16. Juli 2011

in einem anderen herz, im selben brustkorb...

Das hübsche Provinzmädchen muss, des Studiums wegen, umziehen. In eine neue Stadt. Gratulationen verhallen in ihrem lieblichen Gesicht. Meine Freude wird nicht gespiegelt, sondern, man ahnt es, von der Furcht geschluckt. Und wovor? Natürlich vor dem Unbekannten (Sohn der Chaos. Vater ist fremd. Daher der Name.) "Ach Quatsch" ist meine Replik. Ich war in letzter Zeit öfters da. Es scheint dort die Sonne mehr als hier. Sehr sauber ist es, teuer- aber sauber. Es gibt dort schöne Parks, etwas Moderne, viel Neo-Klassizismus und jede Menge Redlichkeit. Du kannst dich dort nicht verlaufen, so sehr du es auch drauf anlegst. Städteplanerisch wurde dem vorgebeugt (Bedauern meinerseits). Und das was du fürchtest, hat es dort auch schwer. Ohne Wertung: jedem Volk sein Wagnis. Vages, neues, Abgründe und das, damit habens sie es nicht. Neulich hätte man versucht den Untergrund zu erweitern. Nichts zu machen. Das einzige was tief geht ist die Phobie. Auf dem Markt jedenfalls grüsst man sich mit einem völkischem "Oben bleiben!"

Heute habe ich rausgegeben: eine falsche Nummer (richtig) und eine falsche Münze (noch richtiger).

Dann wollte ich noch erwähnen dass Synchronizität und Serialität letzter Zeit sehr oft, händchenhaltend, gesehen wurden. Beide dementieren. Ich würde sagen, dass nächste, heißere Geflecht, ist nicht die Dreiecksbeziehung sondern Die Quaternio.

" Ja, weiß nicht, er ist wie ein trauriges Lied das man gern hört."

Donnerstag, 14. Juli 2011

Der Himmel ist weiß und vor mir zerfallen Gänzen in ihre Teile. Auch deshalb stell ich den Zeilenabstand in sämtlichen Dokumenten so groß als möglich. Aber eigentlich mehr weil ich finde es sieht cool aus. Gleich muss ich runter in die Stadt. Ich brauche schwarzes Papier um darauf schwarz zu drucken. Ohne Witz, das stimmt. Ganz im Ernst gilt auch, dass der Graben zwischen uns und vielen Dingen exakt so tief ist wie unsere Gefühle für sie.

Mittwoch, 13. Juli 2011

peristase

Keine Ahnung ob es weg ist oder nie da war. Vllt ist soetwas es auch eher wie ein dünner Film der sich über eine gewisse Zeit legt. Der dann auch Ereignisse bindet die überhaupt nicht zusammengehören. Wie ein Nebel beispielsweise, der bestimmten Dingen einen gemeinsamen Raum gibt, die voneinander nichts ahnen und deren Position zueinander weder abschätzbar noch relevant ist. Falls es existiert, ist es jedenfalls so fein und so weit verteilt dass die Grenzen dieses Raumes nicht auszumachen sind. Ist eigentlich auch nicht wichtig. Also ich spür es jedenfalls nicht. Glaub ich.

Samstag, 9. Juli 2011

friedrich-ebert-str.

Diese Straße ist zu 3/4 verfallen und zur Hälfte Allee. Einerseits gesäumt von Bäumen, beidseitig von Autowerkstätten, Druckereien, kaputten Villen und Fabrikhallen. Einem Eiscafe, geschlossenen Bürgervereinen und mindestens einem Bordell. Wenn man nicht wüsste das man hier wäre, könnte man meinen hier begönnen Geschichten. Ich finde die Beleuchtung so orange, wie früher an den Autobahngrenzbereichen zu den Benelux-Staaten. Vielleicht aber auch blos weil ich so müde bin wie damals auf dem Rücksitz, neben meinem Bruder, den ich übrigens den ganzen Abend nicht treffen werde, obgleich wir uns für mindestens 2 Stunden auf demselben Gelände langweilen. Der Ort ist die Essenz dieser Straße. Ein Ding zwischen Bordell + Bügerverein in einer Fabrikruine. Musik geht klar.

Die Unterhaltungen die geführt werden, dürfen zurecht so genannt werden, supertrivial sind sie jedenfalls nicht. Trotzdem ist es immer dieselbe, auch wenn Partner und Themen variieren. Ein Grund wird sein, dass zumindest einer der Teilnehmer immer ich bin. Und ich kenn echt fast alle meiner Argumente und Behauptungen und Tricks.

Johannes und ich umfassen uns mindestens 3 mal unter Glückwünschen. Letzte Woche haben wir gemeinsam bis Zen gezählt. Dann kam ein Nichts. Klar, weich und kühl und groß. So groß wie die Lücke zwischen uns und zu jedem anderen Menschen auch. Das wir den meisten Dingen mit Gleichness begegnen wird von anderen bemängelt. Wir findens super. "Astrein - zurückschwimmen ist nicht." sagt Johannes und er sieht ziemlich glücklich aus.

Ich trinke insgesamt 2 Flaschen zuckerfreie Limonade wofür ich zurecht verspottet werde. Dafür nerven mich die Konsumentscheidungen der anderen, aber heimlich. Man folgt den Blicken und ahnt: den meisten wird es wehtun. Warum suchen sie sich dann nicht ein paar schöne Hüllen für den Schmerz?

Achja - was ich noch eben zwischen Schrank- und Haustür empfand: Ich meine es gibt fast keine tröstlichere Umarmung als die eines wirklich gut sitzenden Hemdes.

Donnerstag, 7. Juli 2011

richtung vohwinkel und zurück

Sehe den Jungen mit dem deutschen Seitenscheitel nachts auf einer Kulturveranstaltung, rauchend, war klar. Er auch als Gast (Annahme). Darüber freu ich mich natürchlich. Einige hundert Meter später fasst ein namenloser Hydrologe seinen Tag zusammen. Er sagt es war ein schöner Tag. Joko und Klaas seihen in der Stadt gewesen, und sie wären exakt so wie im Fernsehen. Er hätte mit ihnen auch zusammen irgendwo rumgehangen. Wasser sei natürlich kostbar. Hydrologie sei auch viel Physik. Die letzte Woche war wohl nicht so gut aber heute das wär echt gut gewesen. Vorher die Live-Band (auf der Kulturveranstaltung, junges Publikum) wär auch echt gut gewesen. Aha, wir haben sie verpasst. Ziemlich ungewöhnlich wohl, mit einem Geiger. Ich vermute (Simon!) ein ziemlich guter.

Endlich wieder mal zitiert und auch, thematisch, ganz gut platziert zwischen dem Hydrologen und Markus, eine Wahrheit:

Der Mensch besteht zu 90% aus zu großen Erwartungen und Wasser.

Mittwoch, 6. Juli 2011

international kissing day

Und dann gibt es jene die umso wahrscheinlicher zerbrechen, je vorsichtiger, oder schlimmer noch, wir sie gar nicht berühren.

Eine Haltestelle im Streckenverlauf der S9 erinnert mich an Freitagnacht, in Erinnerung daran graben sich mir die Schneidezähne in die Unterlippe. Raubsäuger, nachtaktiv, unter sich.
Rechts vom Gleis, der Zug wartet, liegt ein halbverrottetes Kommunalwahlplakat. Alles was man noch erkennen kann, neben dem Parteisignet, ist ein Wort: Zuversicht.

Naturgesetze können nie dafür. Sie walten einfach. Wer wollte sie dafür beschuldigen? Unsere Leidenschaften spülen uns regelmäßig gegen Klippen. Da war beispielsweise dieser Kuss auf meine Stirn, an dem ich Schiffbruch gelitten habe.

Ein anderes Leid in einer anderen Stadt. Wir können nicht zuerst sagen was zuerst stand. Sein Name in meinem Heft oder sein Herz in Flammen.

Montag, 4. Juli 2011

notizen

Wenn du jemanden deine Trigger verrätst, sieh zu das deine Finger am Abzug bleiben.

Kathrin lässt immer einen schwarzen Socken in der Trommel. Ich fisch ihn aus den nassen, weißen Tüchern, Hemden, Westen. Das Gute und das Böse. In Reinform nicht zu schauen. Zu finster oder zu grell. Im Menschen mischt sich beides. Je nachdem. Okay, grau kann man auch zu allem tragen - Wie praktisch. Das geht nicht. Ich werd mit Kathrin reden.


between ettore sottsass chairs

Ich muss gestehen dass ich dieser Sache, im Allgemeinen, so ratlos und amüsiert gegenüberstehe wie sonst nur Memphis-Möbeln. Erstaunlich das Ganze. Ja, genau so ist es. Skeptisches Probesitzen, meinetwegen. Aber die stell ich mir doch nicht ins Wohnzimmer.

Obwohl nein - Memphis betreffend, würde ich sagen, sollte man es mittlerweile wieder wagen.

Samstag, 2. Juli 2011

Leere Strassen, nasse Luft, wunde Lippen, graues Licht, kühles Leinen.

Dienstag, 28. Juni 2011

bohemian rhapsody

Da es heute sehr warm ist, findet der Krieg unter freiem Himmel statt. In der Vorstadt kämpft man gegen die Zukunft und gegen Blattläuse. Die Rosenspritze des Gärtners quietscht wie ein tropischer Vogel, die Dohlen locken keifend ihre Jungen. Einparkhilfen, Induktionsfelder, Rauchmelder piepsen den Song vom Sieg der Sicherheit über die Freiheit. Verletzen und beschädigen ist nicht nur out, sondern wird auch immer unwahrscheinlicher. Niemand prüft sich mehr in Passionen. Die Dinge flippen für uns aus. Wenigstens mein Funkkopfhörer blinkt panisch bei Signalverlust.

Liege im Gras und schaue hoch, ernster Blick in die Leere, so an/neben der Sonne vorbei. Per Hand lese ich lose Halme vom Rasen, ungründlich und beiläufig, in Gedanken ordne ich, vage und nebenbei, lose Stränge. Ich zähle alle Gründe auf. Dafür oder Dagegen. Ich komm ständig durcheinander, sie sehen sich zu ähnlich. Es geht darum bestimmte Dinge zu tun. Ich weiß. Darum geht es immer. Aber einer muss sich ja der Story annehmen. Ich opfer mich gern für die Handlung. Es sind die Dinge die wir tun weil Sommer ist, wir jung sind und es uns wenig Schmerz bereitet.

An der Ampel wartet ein Satanist artig auf Grün. Auf seinem schwarzen Shirt balgen sich glitzernde Wolfsjungen. 4 Meter weiter empfiehlt mir ein schäbiger Aufkleber auf einem Zigarettenautomat Live your Live. Die Hinweise brauchte ich nicht. Schon länger ist der Widerspruch mein neuer Begleiter.

Klischee-Core II in der hysterischen Stadthalle. Wir finden alles eklektisch und mies zusammengestellt, und daher aber auch gerade gut. Es gibt ein Symphoniekonzert. Sie spielen u.a. Rhapsody in Blue. Im Programmheft blättern wir extra immer wieder die Doppelseite mit der Schwebebahn vorm Sonnenuntergang auf, wenn die Musik besonders dramatisch anschwillt. Nach der Pause gibt es Die Planeten. Mir gefällt Mars am besten. Ausserdem der Junge mit dem deutschen Seitenscheitel dem ich eine Kippe abgeschwatzt habe. Simon meint er wär hundertprozentig ein Orchesterknabe. Entweder Geiger (und dann ein sehr guter) oder aber Bläser (dann aber eher mittelmäßig).

Die Nacht ist warm und wirklich samtig. Anders kann ichs nicht sagen. Nein wirklich. So weich und süß hat mich das Dunkel selten umgarnt.

Samstag, 25. Juni 2011

Mittwoch, 22. Juni 2011

more than this

Auf dem Campus ist dieser Springbunnen aus Beton der unaufhörlich vor sich hin quillt. Er pulst das Wasser unentwegt hoch und von allen Seiten prasselt auch noch der Regen ins Becken. Wenn es ein Bild gibt, für dieses Gefühl das ich so oft habe, dann sehe ich zum ersten Mal etwas das dem wohl gut gerecht würde.

Meine Stiefschwester hat gerade erfolgreich ihr Studium in München geschmissen. Wir sitzen uns im Büro gegenüber, sie am Schreibtisch meiner Mutter, ich an dem ihres Vaters. Wir teilen echt erstaunlich viele Ansichten, starren jeweils in den Monitor, drehen und rollen mit den Bürostühlen und warten auf das Abendessen.

Im Flur muster ich ein paar Schallplatten und schwatze meiner Mutter eine Roxy Music Platte ab. Anschliessend zeigt sie mir das neu renovierte Bad. Dort gibt es eine Duschkabine mit sehr vielen Düsen, die je nach Kombination eine fast exponentiell ansteigende Anzahl von Massagemöglichkeiten bieten. Ausserdem noch Radio und MP3 und alles. Der Rest besteht aus Chrom und Gold und Terrakotta-Strukturfliesen. Ich sage ihr, dass ich weiß, dass sie und ihr Mann beide wechselseitig, sowohl psychisch als auch finanziell, abhängig voneinander seien, dass das aber nicht gleich am Bad ablesbar sein müsse.
Vor und während des Essens schwärmen Mama und ich total für Bryan Ferry. Wir gehen total ab dabei und zählen die besten Hits auf, streichen mit den Fingern über Plattencover. Am Fenster, nach dem Essen, raucht sie und schaut den Dohlen zu, die vom Kirchof zu der großen Weide segeln. Von der ich übrigens bis heute nicht weiß, in wessen Garten sie eigentlich steht. Sie findet Smoke gets in your eyes so schön. Sie spricht von schlimmen Dingen, die sie erlebt hat als es mich noch nicht gab, aber zum Glück schon Bryan Ferry.

Dienstag, 21. Juni 2011

profan-fan werden

Ich kann ja auch nichts dafür das alle Heiligtümer in sich zusammenbrechen. Original das denke ich, während ich das Zahlungsmittel meiner Wahl aus meiner Hosentasche fummel. Wie verabschiedet man sich vom Verklärten? Feierlich? Dann ertönt plötzlich ein Klang, aus Deckenhöhe: die 8 völlig cheap-synthetisierten Schläge des Big-Ben. Ein ungeduldiger Kunde erklingelt sich mit der Voice-of-Britain eine neue Kasse. Ich bleibe zunächst in der alten Schlange stehen, aus Sentimentalität und Mitleid mit den sterbenden Dingen, gebe mir dann einen Ruck und stelle mich entschieden in die neue, schon längere Kundenreihe. Ich möchte diesem Klang vertrauen, der so tröstlich scheppert. Sacrality sucks. Ein wahrer Akt der Gnade vermutlich. Alle Erhabenheiten so hehr wie hohl. Alle Dinge werden frei sein, sind sie erst von ihren Bedeutungen entkoppelt. Das waren sie ja einmal, bevor wir sie an Relevanzen fesselten. Ohne die Gewichtung würde alles so leicht. Die EC-Karte geht wieder, geil!